Die Macht der Alten

Der Aufschwung muss auch bei den Rentnern ankommen. Deshalb hat die Bundesregierung eine außerordentliche Rentenerhöhung beschlossen und dafür zwei Schlüsselziele ihres politischen Handelns in Frage gestellt: die Senkung der Lohnnebenkosten und die Sanierung des Bundeshaushalts.

Die Angst vor den Älteren muss groß sein, dass Schwarz-Rot so schnell und freigiebig auf die eigenen Versprechen pfeift. Dabei ist es ja nicht so, dass sich nur Rentner weniger leisten können als noch vor ein paar Jahren. Höhere Preise machen allen zu schaffen. Das Regierungsinteresse an der älteren Generation hat weniger mit Nächstenliebe zu tun als mit wahltaktischem Kalkül. Rentner sind ein Machtfaktor. Nicht nur, dass ihr Anteil wegen der demografischen Entwicklung steigt. Ältere Menschen gehören auch zu den eifrigsten Wählern. Und zufällig steht 2009 die nächste Bundestagswahl an. So gesehen handelt die Koalition sehr rational. Ob sich das Manöver politisch auszahlt, steht auf einem anderen Blatt. Wem es heute als Rentner gut geht, der wird den kleinen Zuschlag ohne viel Aufhebens verbuchen. Wer jetzt schon kaum über die Runden kommt, dem ist mit fünf Euro zusätzlich nicht geholfen. Besonders die Linkspartei dürfte die Unzufriedenheit schüren. Würde die Bundesregierung ihr Gerede vom Aufschwung für jedermann ernst nehmen, müsste sie über eine Revision der Mehrwertsteueranhebung nachdenken oder über eine Finanzreform der Sozialversicherung. Pünktlich zur Rentenhebung am 1. Juli steigt auch der Beitrag für die Pflegekasse. So aber doktert die Regierung nur an der Rentenformel herum. Und das in einer Dreistigkeit, die kaum zu überbieten ist. Damit die langfristige Beitragsstabilität wenigstens auf dem Papier Bestand hat, soll der jetzige Rentenzuschlag in den Jahren 2012 und 2013 wieder abgezogen werden. Die amtierende Regierung ist aber nur bis Herbst 2009 gewählt. Hinzu kommt, dass im nächsten Jahrzehnt ein früher beschlossener Dämpfungsfaktor wirken soll, um die "zu viel" gezahlten Renten 2005 und 2006 aufzufangen. Es ist unsicher, dass die Wirtschaft auch nach 2010 so brummt, um nach all diesen Abzügen immer noch ein Rentenplus zu verbuchen. Eher werden 2012 sämtliche Dämpfungsfaktoren gekippt: Im Jahr drauf ist Bundestagswahl. Das weiß die Regierung. Und deshalb ist ihr jüngster Rentenbeschluss eine Entscheidung zu Lasten der Jüngeren. So kurzsichtig und feige kann Politik sein. nachrichten.red@volksfreund.de

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