Die Schule tickt falsch

Der Pisa-Schock des internationalen Schulvergleichs saß tief, die Politik reagierte wie immer aufgeregt konfus, die Schule verunsichert. Qualitätsstandards mussten her, Leistungstests, mancherorts zentrale Abschlussprüfungen, das Turbo-Abi, andernorts vor allem Ganztagsschulen, neue Unterrichtsmethoden und, und, und. Zwischen alledem die Schüler und Eltern. Und die treibt anscheinend der Schulalltag mit wachsendem Leistungsdruck immer häufiger in den letzten Ausweg Nachhilfe.

Fest steht: Wenn dieser Markt boomt, läuft die Bildungspolitik falsch und es stimmt etwas mit dem Schulsystem nicht. Spätestens dann müssen ideologische Scheuklappen von allen Seiten abgelegt werden, denn es geht um die Zukunft der Kinder und damit um die Zukunft der Gesellschaft. Bildungschancen dürfen eben nicht zur Frage des Geldbeutels werden. Wie sehr sich manche Politiker in ihrem Aktionismus verrannt haben, zeigt der aktuell verbreitete Ärger um das in den meisten Bundesländern offenbar überhastet eingeführte Turbo-Abi und die auf acht Jahre verkürzte Gymnasialzeit. Die Anforderung an das Schulsystem ist einfach und gleichwohl hoch: Jedem Kind seine Bildungschance - einschließlich gezielter Förderung. Doch die Realität sieht anders aus. Vor allem Kinder aus Einwandererfamilien bräuchten bereits in der Grundschule professionelle Hausaufgabenbetreuung, sonst ist ihr Weg ins Abseits programmiert. Der kommt im staatlichen "Reparaturbetrieb" oder auf dem Arbeitsmarkt später meist teuer zu stehen. Die Schulauswahl, die bei Zehnjährigen die Laufbahn vorgibt, ist lange überholtes Relikt. Ganztagsschulen, die Unterricht, gezielte Förderung, Hausaufgabenbetreuung und sinnvolle Beschäftigung bieten, sind eigentlich Pflicht. In diesem Punkt müssen auch noch viele Eltern umlernen.

Nachhilfe an sich ist keinesfalls schlecht. Allerdings muss eine gute Bildungspolitik sie weitgehend überflüssig machen. Erst recht, wenn sie dauerhaft ins Geld geht. Wird diese Messlatte angelegt, muss festgestellt werden, dass die Politik ihre Hausaufgaben noch immer nicht gemacht hat. Stattdessen hat sich ein lukrativer Nachhilfemarkt etabliert, der teilweise auch noch bessere Noten bekommt als das Schulsystem selbst.

Eine stillschweigende Duldung dieser Entwicklung käme einer Bankrotterklärung der Bildungspolitik gleich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort