Die doppelzüngigen Deutschen

Zum Ende ihrer Amtszeit wollen EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und sein Handelskommissar Karel de Gucht noch etwas vorweisen - auch wenn es noch nichts vorzuweisen gibt. Und so haben sie sich für den EU-Kanada-Gipfel für heute überlegt, dass dort das Ende der Verhandlungen über das gemeinsame Handelsabkommen Ceta gefeiert werden soll.

Da wird nichts parafiert oder unterschrieben, weil es noch Nachbesserungsbedarf gibt. Vor allem beim Investorenschutz, der im ausgehandelten Text über private Schiedsgerichte abgesichert werden soll - in Verträgen zwischen funktionierenden Rechtsstaaten ein Unding. Und die Verhandler kennen die weit verbreitete Kritik nur zu gut. Insofern ist die Sturheit der scheidenden EU-Kommission samt ihrer kleinen Abschiedsfeier in Ottawa eine Provokation für die Gegner des Investor-Staat-Schiedsverfahrens. Die neue EU-Kommission sollte und wird hier mit großer Sicherheit noch etwas ändern.Der Schwarze Peter freilich liegt nicht nur bei der Kommission allein. Auch die Bundesregierung macht keine gute Figur. Um jene einzufangen, die Freihandelsabkommen ganz grundsätzlich ablehnen, wird lautstark so getan, als sei man wieder einmal von Brüssel überrumpelt worden. Tatsächlich ist es so, dass der EU-Handelskommissar dort selbstständig verhandelt, aber natürlich nur auf Grundlage eines Mandats, das die Mitgliedstaaten ihm mit auf den Weg gegeben haben und jederzeit verändern können. Von Kritik auf Expertenebene abgesehen hat es einen solchen offiziellen Vorstoß noch nicht gegeben. Die EU-Kommission hat damit auftragsgemäß über den Investitionsschutz verhandelt. Das Berliner Vorgehen ist daher doppelzüngig und nährt zumindest den Verdacht, dass es der Bundesregierung mehr um die Beschwichtigung der eigenen Reihen geht und es ihr so ernst mit ihrem Nein zu den Schiedsgerichten vielleicht gar nicht ist - sie sind immerhin eine deutsche Erfindung. Nicht zuletzt hat die Kanzlerin erst diese Woche beim Tag der Industrie wieder ein klares Bekenntnis zum Freihandel abgelegt. nachrichten.red@volksfreund.de

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