Dienst nach Vorschrift

Streng genommen forscht die Wissenschaft im Auftrag der Politik schon seit fast einem Jahrzehnt am Für und Wider der familienbezogenen Leistungen in Deutschland. Im Laufe der Zeit dürften die Experten tatsächlich beinahe jeden Euro einzeln umgedreht haben, den der Staat für Kinder, Ehepaare, Alleinerziehende und Witwen ausgibt.

Das Ergebnis liegt nun in einem mehrere Kilo schweren Bericht vor. Doch es steht zu befürchten, dass die Expertise sang- und klanglos in der Schublade verschwindet. Schon bei dem im vergangenen Jahr bekannt gewordenen Zwischenfazit befand die damalige Familienministerin Kristina Schröder von der CDU, dass im Prinzip alles so bleiben kann wie gehabt. Und im Prinzip plant auch ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig von der SPD nichts anderes. Das lehrt: An umfassenden Erkenntnissen herrscht kein Mangel, wohl aber an den politischen Konsequenzen. Die Bundesregierung steckt jedes Jahr mehr als 200 Milliarden Euro in die familienpolitischen Leistungen. Rund fünf Prozent der deutschen Wirtschaftskraft. Doch die Erfolge sind vergleichsweise bescheiden. Beim Kinderkriegen gehören die Bundesbürger weltweit zu den Schlusslichtern. Und das hat nicht nur mit gesellschaftlichen Mentalitäten zu tun. Sondern auch mit dem zum Teil wenig effizienten Einsatz der Mittel. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen wird zum Beispiel das teuere Ehegattensplitting sicher nicht abzuschaffen sein. Aber es ließe sich umgestalten und im Ergebnis besser auf Familien mit Kindern zuschneiden. Doch Manuela Schwesig scheut diese Herkulesaufgabe. Darüber wolle sie keine ideologische Diskussion führen, gab die amtierende Familienministerin gestern zu Protokoll. Genau das müsste die Sozialdemokratin aber tun. Hätte Schwesigs Vorvorgängerin Ursula von der Leyen die gleiche Haltung an den Tag gelegt, dann wäre das familienpolitisch hoch gelobte Elterngeld wahrscheinlich immer noch eine politische Utopie. Auch hier ging es um die Überwindung ideologischer Scheuklappen, nämlich eines klassisch konservativen Familienbildes, bei dem der Mann das Geld heimbringt und die Frau das Kind versorgt. Dafür hatte sich von der Leyen mit ihrer eigenen CDU angelegt - und gewonnen. Schwesig dagegen sinnt in der Familienpolitik allenfalls auf ein paar kleine Reparaturmaßnahmen. Ein bisschen "Elterngeld plus" hier, etwas mehr Kinderzuschlag dort. Politisches Stückwerk eben. Ein schlüssiges Gesamtkonzept, wie das viele Geld im Sinne des umfangreichen Forschungsberichtes effizienter eingesetzt werden könnte, wird die große Koalition allein schon deshalb nicht zu Stande bringen. Sowohl die SPD als auch die Union machen hier leider nur Dienst nach Vorschrift. Eine mutlose Politik. nachrichten.red@volksfreund.de

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