Doof ist, wer sich nicht wandelt

Es scheint hierzulande zu den unvermeidlichen Zeitläuften zu gehören, dass im Jahrzehnt-Rhythmus die jeweils junge Generation von den in Ehre gereiften Erwachsenen attestiert bekommt, dass sie nichts taugt.

Das war so bei den 50er-Rock'n'-Roll-Rebellen, bei den 60er-Polit-Revoluzzern, bei den 70er-Nullbock-Faulenzern, bei den 80er-Spaßgesellschaftern und bei den 90er-Generation-Golf-Karrieristen. Jetzt ist die "Generation Doof" dran, für das Untergangs- und "Früher war alles besser"-Szenario herzuhalten.Dabei muss man, nur der Wahrheit halber, darauf hinweisen, dass all die verkommenen Nachkriegs-Generationen nicht annähernd so viel Schaden angerichtet haben wie ihre gut erzogenen, anständigen, gebildeten, mit preußischer Disziplin und Kruppstahl-Härte ausgestatteten Vorgänger in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Zur Panik besteht also kein Grund. Wohl aber zum Handeln. Denn mit dem Siegeszug der elektronischen Medien haben sich die Verhältnisse in Sachen Wissen und Bildung in den letzten zehn Jahren stärker verändert als in den hundert Jahren zuvor. Und wenn die Gesellschaft es nicht schafft, ihren nachwachsenden Generationen beizubringen, wie man mit der gigantischen Fülle an verfügbaren Informations- und Unterhaltungsoptionen umgeht, droht irgendwann tatsächlich eine Verblödung.

Dabei kann der Maßstab freilich nicht aus dem Humboldtschen Bildungskanon und den Verästelungen der deutschen Orthografie bestehen - auch wenn es manchem schwerfällt, sich davon zu verabschieden. Es geht darum, ein Fundament von Werten und Kenntnissen zu schaffen, das es erlaubt, mit dem weltweit verfügbaren Faktenwissen sinnvoll umzugehen. Dass man die Fakten selbst nicht mehr im Kopf haben muss, wenn man im Jahr 2020 zu jedem beliebigen Zeitpunkt an jeder beliebigen Stelle online darauf zurückgreifen kann, mag man bedauerlich finden - aufzuhalten ist es nicht. Betrüblicherweise lebt unser Schulwesen noch im letzten Jahrhundert. Man ist dem Irrtum aufgesessen, es sei schon eine Modernisierung, wenn man den Schülern das technische Handling moderner Medien beibringt. Das brauchen sie am wenigsten - da könnten eher viele Lehrer etwas lernen. Die Lehrpläne aber sind unverändert vollgestopft mit Faktenwissen, das die Schüler sich mühsam ins Hirn prügeln müssen, um es nach erfolgtem Abruf bei der nächsten Prüfung schnellstmöglich wieder zu vergessen. Was für eine Ressourcen-Verschwendung. Da wäre nach einer Entrümpelung Platz satt für eine Werte-Erziehung, für das "Lernen lernen", für das Herausarbeiten dessen, was man auf Neudeutsch "Basics" nennt.

Aber dafür müsste die Generation der Entscheider auch nur einen Funken jener Flexibilität aufweisen, die zu den selbstverständlichen Qualitäten der angeblichen "Generation Doof" gehört. Das wäre bei den schulpolitischen Betonköpfen in Deutschland freilich mal was ganz Neues.

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