Ein Urteil, das den Rechtsstaat stärkt

Wenn sich der Pulverdampf um das Hoeneß-Urteil gelegt hat, wird es Zeit, ein paar nüchterne Erkenntnisse festzuhalten.

Erstens: Über die Frage, ob jemand ein Straftäter ist, entscheiden hierzulande nicht die Mitgliederversammlung von Bayern München oder die einflussreichen Spezis im Aufsichtsrat, sondern ein unabhängiges Gericht. Alle, die gebetsmühlenartig behauptet haben, jemandem wie Uli Hoeneß könne in Deutschland nichts passieren, müssen sich nun korrigieren. Das ist gut für den Rechtsstaat. Und für die Steuermoral.

Zweitens: Uli Hoeneß ist nicht das Opfer übler Steuergeheimnis-Verräter oder gemeiner Medien-Kampagnen. Er hat die Taten, die nun bestraft werden, allein sich selbst zuzuschreiben. Das Gerichtsurteil macht deutlich, dass hier kein armer, überforderter Sünder bei der Steuererklärung ein bisschen daneben gelegen hat. Hoeneß ist ein krimineller Straftäter.

Drittens: Die weit verbreitete Meinung, Steuerbetrug sei eine Art Kavaliersdelikt und könne durch anständiges Sozialverhalten und ökonomischen Erfolg kompensiert werden, ist vom Tisch. Zu Recht: Es käme ja auch niemand auf die Idee, einen Bankräuber oder Einbrecher von Strafe zu verschonen, weil er sonst im Leben ein netter Kerl oder ein guter Chef ist.

Viertens: Das ohnehin problematische Mittel der Selbstanzeige bei Steuerbetrug ist nicht dafür gedacht, dass jemand in letzter Sekunde vor der Entdeckung noch schnell den Finger hebt und sagt: Ätsch, ich habe mich selbst gemeldet, das Kleingedruckte regeln wir später. Akzeptabel ist diese Regelung allenfalls für den Fall, dass sich jemand ohne Druck komplett und umfassend ehrlich machen will. Das war bei Hoeneß nicht so. Deshalb wird auch die Revision keine große Chance haben.

Fünftens: Man kann sich darüber streiten, ob dreieinhalb Jahre gemessen an der Betrugs-Höhe nicht zu wenig sind. Zumal, wenn absehbar ist, dass jemand wie Uli Hoeneß mit Freigang und frühzeitiger Begnadigung rechnen kann. Aber wer noch weiter draufhauen will, sollte sich klar machen, was für einen Absturz dieses Urteil bedeutet. Der Statusverlust ist für jemanden wie Hoeneß die härteste Strafe. Da muss man nicht noch hämisch nachtreten.

Sechstens: Uli Hoeneß macht es einem schwer, Mitleid mit ihm zu haben. Er hat zu keinem Zeitpunkt das gezeigt, was man von jedem Straftäter verlangt, der milde behandelt werden will: Demut vor dem Recht. Er hat von Fehlern gesprochen, die er bedauere - mehr nicht. Er hat sich in keinem Schlusswort bei den Menschen entschuldigt, die er betrogen hat. Er hat kein Amt freiwillig abgegeben, er war noch während des Prozesses im Stadion, als sei nichts passiert. Als wäre seine Tat ein reparabler Betriebsunfall. Erst wenn man den Eindruck hat, dass sich sein Bewustsein ändert, dann wird Platz sein für Gefühle wie Mitleid und Sympathie.

d.lintz@volksfreund.de

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