Falsche Vorstellungen

Die Bundeswehr hat Nachwuchssorgen. "Na und?" mag mancher Personalchef kontern, der für seine Firma verzweifelt Fachkräfte sucht.

Die Bundeswehr ist jedoch nicht irgendeine Firma, sondern eine Einrichtung zur Verteidigung der Bürger vor äußeren Gefahren und politischer Erpressung. Die Truppe hat also einen gesellschaftlichen Auftrag, auch wenn die einstige Ost-West-Konfrontation scheinbar weniger globalen Herausforderungen gewichen ist. Deshalb muss es die Gesellschaft sehr wohl interessieren, wie es um die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr steht.

Nun ist es sicher so, dass die Truppe in wirtschaftlich schlechten Zeiten mehr Zulauf hat als bei guter Konjunktur. Bieten sich in diesem Fall doch einfach mehr Möglichkeiten, auch einen zivilen Beruf zu ergreifen. Das erklärt aber noch nicht das ganze Problem. Gerade der jüngste Sprengstoffanschlag auf Bundeswehrsoldaten im nordafghanischen Kundus hat einmal mehr gezeigt, dass der Dienst an der Waffe unkalkulierbare Risiken birgt. Wenn Bundeswehrangehörige ihren vorzeitigen Abschied damit begründen, dass ihnen die Arbeit zu gefährlich sei, dann stellt sich schon die Frage, wie sie eigentlich auf militärische Extremsituationen vorbereitet werden. Die schöne, aber falsche Vorstellung vom bloßen Sozialarbeiter in Uniform, der am Hindukusch Brunnen bohrt und Schulen baut, ist offenbar nicht nur in weiten Teilen der Bevölkerung vorherrschend, sondern auch bei vielen Soldaten selbst. Die Bundesregierung hat dazu maßgeblich beigetragen, indem sie die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan immer wieder beschönigte. Hinzu kommt die ebenfalls von der Politik beschnittene Finanzausstattung der Bundeswehr. Die negativen Konsequenzen sind nicht nur bei ihrer Ausrüstung in internationalen Krisengebieten spürbar. Sie zeigen sich auch bei der Entlohnung der Soldaten. In den letzten Jahren mussten viele eine Streichung des Urlaubsgeldes, die Halbierung des Weihnachtsgeldes sowie steuerliche Schlechterstellungen verkraften. Ein Pilot der Bundeswehr käme im Dienst der Lufthansa locker auf ein Mehrfaches seiner Bezüge. Ähnlich sieht es beim medizinischen Personal aus.

Ein Argument für die Wehrpflicht ist der Nachwuchsmangel übrigens mitnichten. Zwar stimmt es, dass die Bundeswehr immer noch einen großen Teil ihres Stammpersonals aus dem Kreis der Grundwehrdienstleistenden rekrutiert. Doch auch junge Wehrpflichtige spüren den wachsenden Frust ihrer länger dienenden Kameraden. Und das beflügelt nicht gerade den Wunsch, es ihnen gleichzutun. Nimmt man alles zusammen, dann ist es wahrlich kein Wunder, wenn der Militärdienst immer mehr an Attraktivität verliert. Die Bundesregierung hat darauf keine Antwort.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort