Gebranntes Kind scheut das Feuer

Es ist ein bisschen billig, Barack Obama zum selbstvergessenen Zauderer des Syrien-Konflikts zu stempeln. Gewiss, er hat die Mörderbanden des IS anfangs grob unterschätzt.

Gewiss, er hätte Worten Taten folgen lassen sollen, als er rote Linien zog, um Assad am Einsatz von Chemiewaffen zu hindern, nur um sie dann selber zu ignorieren. Vielleicht wäre er auch besser beraten gewesen, auf seine Außenministerin Hillary Clinton zu hören und die Moderateren unter den Gegnern Assads rechtzeitig mit Waffen auszurüsten. Doch das alles ändert nichts am Kern des Dilemmas, das ja kein Obama-Dilemma ist, sondern ein amerikanisches. Eine Folge der Hybris George W. Bushs.
Zwölf Jahre nach der Invasion im Irak findet sich in den USA keine Mehrheit für einen Einmarsch in Syrien. Nicht einmal unter den Republikanern, mögen deren Präsidentschaftskandidaten noch so heftig gegen Obamas Außenpolitik polemisieren. Genau darin besteht ja die Ironie der Geschichte: Indem Bush einen Krieg anzettelte, der auf falschen Voraussetzungen beruhte, den er mit nicht existierenden Massenvernichtungswaffen begründete, bindet er seinem Nachfolger praktisch die Hände. In Syrien, wo amerikanische Führungsstärke gefragt wäre, ließ die Hypothek des Irak-Abenteuers die Amerikaner länger zuschauen, als es angesichts des furchtbaren Blutvergießens geboten gewesen wäre. Gebranntes Kind scheut das Feuer.
Vielleicht ändert sich das unter dem Eindruck der Pariser Anschläge, aber wenn, dann wohl nur in kleinen Schritten. Intensivierte Luftschläge. Militärberater für die kurdischen Peschmerga, die einzige Truppe, die wirklich gegen die IS-Miliz kämpft. Verstärkter Druck auf die Türkei und Saudi-Arabien, die im Islamischen Staat lange ein opportunes sunnitisches Gegengewicht gegen den Alawiten Assad und die schiitischen Iraner sahen. Das alles ist vorstellbar. Doch Bodentruppen sind für Obama vorläufig keine Option. Auch unter dem Druck der Ereignisse hat er bisher kühlen Kopf bewahrt, statt politisch aus der Hüfte zu schießen.
Obama wäre gut beraten, dabei zu bleiben und nicht in die IS-Falle zu tappen, egal, wie sich die Stimmungslage entwickelt. Amerikanische Soldatenstiefel im Wüstensand: Es ist genau das, worauf die Terroristen nur lauern.
nachrichten.red@volksfreund.de

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