Gegenmodell aus Potsdam

Wahlweise als "abenteuerlich" (Ronald Pofalla) oder gar als "Schande" (Wolfgang Schäuble) haben Bundespolitiker der Union die neue rot-rote Koalition in Brandenburg bezeichnet. Nun, gerade in ihrem dünnwandigen Glashaus aus noch längst nicht erfüllten Steuersenkungsversprechungen und sehr absehbaren Schuldenrekorden sollten die neuen schwarz-gelben Bündnispartner etwas vorsichtiger sein beim Hantieren mit solchen schweren Steinen.Die Koalitionsverhandlungen, die der SPD-Mann Matthias Platzeck mit seiner Linken-Partnerin Kerstin Kaiser in Potsdam führte, dürfen getrost als positives Gegenmodell zum Schauspiel auf der großen Berliner Bühne betrachtet werden.

Und das ist nicht einmal parteipolitisch gemeint. Die Koalition in Potsdam hat sich anders als Merkel und Co. ernsthaft mit dem Sparen beschäftigt und auch schmerzhafte Schritte wie den Personalabbau im Öffentlichen Dienst beschlossen. Sie hat, so weit erkennbar, viel weniger Versprechungen gemacht als die Bundespolitiker und viel weniger auf später vertagt. Sie hat sich weniger in Formelkompromisse gerettet, ist ehrlicher mit sich selbst und den Wählern umgegangen und dann auch noch schneller mit dem Verhandeln fertig geworden als die Schwarz-Gelben in der Hauptstadt. Natürlich, nicht überall ist die Linke so realpolitisch aufgestellt wie in Potsdam, ganz sicher nicht auf Bundesebene. Aber wer halbwegs fair ist, wird zugeben müssen, dass diese zweite rot-rote Koalition in Deutschland, genau übrigens wie die erste, die im Berliner Rathaus gebildet wurde, zum Feindbild nicht taugt.

nachrichten.red@volksfreund.de

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