Glückwunsch mit Fragezeichen

Congratulations, Senator Barack Obama - Glückwunsch zu diesem Sieg! Gratulation zu einem professionellen Wahlkampf, zu der unglaublichen Ausdauer, zu der Mobilisierung von Wählern und Nichtwählern, die in der jüngeren Geschichte ihresgleichen sucht.

Gratulation dazu, wie aus einem politisch Namenlosen aus der amerikanischen Provinz der weltweite Hoffnungsträger gemacht wurde, der schon heute das historisch zu nennende Verdienst beanspruchen kann, den vielleicht bedeutendsten Schritt gegen die Rassendiskriminierung getan zu haben. In weniger als zwei Jahren hat Obama es geschafft, seinen Namen und seine Slogans zur weltweiten Marke zu machen - es wird wohl nicht lange dauern, dann müssen sich Standesämter hierzulande mit der Frage plagen, ob Barack als deutscher Vorname durchgeht.

Glückwunsch zur Präsidentschaft? Da sind allerdings erste Fragezeichen angebracht. Barack Obama übernimmt ein Amt, das sich in diesen Wochen und Monaten eigentlich niemand wünschen kann. Amerika führt zwei exorbitant teure Kriege, die nicht zu gewinnen sind. Das Ansehen der Weltmacht ist nachhaltig ramponiert. Die heimische Wirtschaft steuert mit großen Schritten auf die Krise zu, Zehntausende Arbeitsplätze in der Industrie und bei den Banken stehen auf dem Spiel. Viele Amerikaner haben sich mit mittlerweile wertlosen Immobilien und leichtsinnigen Kreditkartenverträgen besinnungslos verschuldet. Bemerkenswerterweise scheint Obama der einzige zu sein, der sich dieser Hypotheken bewusst ist, wie seine grandiose Rede in der Wahlnacht zeigte - während sich viele der Gratulanten aus aller Welt offenbar von der Euphorie der jubelnden Massen blenden lassen, die den Blick auf die bittere US-Realität verdeckt.

Glückwunsch Europa? Glückwunsch Deutschland? Auch da ist bei realistischer Betrachtung Skepsis angebracht. Sicher: Die Zusammenarbeit mit einem Präsidenten Obama dürfte für die europäischen Politiker weitaus kooperativer und friedlicher verlaufen als mit dem außenpolitischen Autisten George W. Bush und seinen schwarz-weiß denkenden neokonservativen Beratern. Doch auch ein Barack Obama ist zuallerst US-Präsident und kein Weltpolitiker. Für ihn gilt wie schon für alle seine Vorgänger immer "America first - Amerika zuerst". Spätestens, wenn es um handfeste wirtschaftliche Interessen geht, wird auch für Obama Schluss sein mit einem transatlantischen Kuschelkurs. So wird in den kommenden Tagen, wenn die nächsten Hiobsbotschaften aus der Industrie veröffentlicht werden, die Jubelstimmung schnell verschwunden sein und das im Vordergrund stehen, was letztlich Obamas Wahlsieg möglich gemacht hat: das Prinzip Hoffnung.

Eines allerdings gilt nach diesem Wahlabend in jedem Fall: Politik ist weltweit wieder spannender geworden - Obama sei Dank. Eine Veränderung, die wir alle brauchen können - Change we need.

m.schmitz@volksfreund.de

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