Große Worte, kleine Reform

Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Aber die Bundesregierung hat sie lange ignoriert. Eigentlich wollten Union und SPD bereits im Sommer 2006 ein Reformwerk zur Zukunftstauglichkeit der Pflegeversicherung präsentieren. Darüber gingen fast zwei Jahre mehr ins Land.

Was lange währt, wird aber nicht nur gut. Die Bilanz fällt gemischt aus. Zweifellos ist es ein großer Fortschritt, dass die Pflegesätze endlich angehoben werden. Immer mehr Pflegebedürftige müssen Sozialhilfe beantragen, um die Kosten zu schultern. Dabei war die Pflegeversicherung einst konzipiert worden, um solche Schicksale zu vermeiden. Erstmals in der Geschichte der Pflegeversicherung werden die Altersverwirrten berücksichtigt. Sie sind noch nicht gebrechlich, dafür aber extrem vergesslich, so dass sie von anderen Menschen beaufsichtigt werden müssen.

Positiv dürften sich auch die verstärkten Kontrollen in den Pflegeheimen und die Offenlegung ihrer Ergebnisse auswirken. Dieser "Pflege-Tüv" ist fast noch wichtiger als die bis zuletzt umstrittenen Pflegestützpunkte. Denn was nützt die Beratung aus einer Hand, wenn nicht einmal der beste Berater über die Qualität des Pflegeheims um die Ecke Bescheid weiß.

Sämtliche Verbesserungen kosten Geld. Doch gerade hier ist die Pflegeversicherung selbst ein Pflegefall. Seit der Jahrtausendwende lebt sie von ihren Reserven, die noch von 1995 stammen. Großspurig hatte sich die Koalition deshalb eine "nachhaltige und gerechte Finanzierung" der Pflegeversicherung auf die Fahne geschrieben.

Nichts davon ist eingetreten. Wie schon bei der Gesundheitsreform waren die finanzpolitischen Vorstellungen so unterschiedlich, dass man am Ende die Finger davon ließ. Zur Erinnerung: Die Union wollte die herkömmliche Beitragsfinanzierung durch kapitalgedeckte Elemente einer privaten Vorsorge ergänzen, um die wachsenden Lasten der Alterung nicht ausschließlich auf die Arbeitskosten abzuwälzen. Eine sinnvolle Idee. Die SPD hatte sich für einen Finanzausgleich zwischen der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung starkgemacht. Das wäre nicht nur gerecht, sondern auch ordnungspolitisch vernünftig. Im Gegensatz zur Krankenversicherung sind Leistungen der Pflegekasse für privat und gesetzlich Versicherte identisch. Heraus kam eine Notlösung - die moderate Anhebung des Beitragssatzes.

Damit haben Union und SPD eingestanden, dass ihre Reform spätestens 2015 Makulatur ist. Länger wird der Beitragsschub nicht reichen.

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