Gut gedacht, zweifelhaft gemacht

Auch wenn der Gedanke naheliegen mag: Das jetzt vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Tarifeinheit ist keine Reaktion auf den aktuellen gewerkschaftlichen Machtkampf bei der Bahn. So schnell kann selbst eine große Koalition nicht schießen.

Die Vorlage resultiert vielmehr aus der Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht bereits vor fünf Jahren zu einer neuen Rechtsprechung kam. Und die gibt durchaus Anlass zur Sorge. Bis 2010 galt gewissermaßen als ungeschriebenes Gesetz: ein Betrieb, ein Tarifvertrag.
Und niemand kann behaupten, dass Deutschland damit schlecht gefahren wäre. Die Republik steht auch deshalb wirtschaftlich so stark da, weil die Tarifpartnerschaft funktioniert, weil Gewerkschaften in aller Regel verantwortungsvoll handeln.
Mittlerweile gibt es allerdings Anzeichen, dass kleine Spartengewerkschaften anderes im Sinn haben. Minderheiten werden so zu einer Macht, die Mehrheiten dominieren, um sie für eigensinnige Ziele zu missbrauchen. Der Bundestag will solche Gewerkschaften nun an die Leine legen. Fragt sich nur, ob das Gesetz zur Tarifeinheit dafür ein taugliches Mittel ist. Hier sind Zweifel angebracht. Die Konstruktion ist verfassungsrechtlich heikel, weil am Ende ein Tarifvertrag durch einen anderen verdrängt werden kann. Eine Gewerkschaft aber, die nicht tariffähig ist, kann sich auch gleich selbst auflösen. Um blinder Gewerkschaftskonkurrenz zulasten Dritter etwas entgegenzusetzen, gibt es auch noch andere Wege.
So könnte ein Schlichtungsverfahren zur Pflicht werden, um einen Interessenausgleich zwischen konkurrierenden Arbeitnehmervertretungen herbeizuführen. Auch eine Vorschrift, Streiks eher anzukündigen, würde den schlechten Beigeschmack der Willkür bei manchen Tarifkonflikten mildern. Leider findet sich nichts dergleichen im Tarifeinheitsgesetz.
Aber vielleicht muss die Regierung ja noch nachbessern. Es wäre nicht das erste Gesetz, das Karlsruhe auf Wiedervorlage nach Berlin zurückschickt.
nachrichten.red@volksfreund.de

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