Hochglanz und große Gefühle

Peking · Die (fast schon zu) perfekten Olympischen Spiele sind zu Ende. Zwei Wochen lang dominierten bunte, fröhliche, emotionale Bilder aus Peking das Weltgeschehen. Zwei Wochen lang nutzte China die Weltbühne, um sich als perfekter Gastgeber von gigantischen Spielen zu präsentieren.

Wie viel davon auf Hochglanz polierte Fassade war, die nach dem Abzug der Touristen, Sportler und Journalisten wieder abgebaut wird, um das andere (vielleicht wahre) Gesicht Chinas zu zeigen, weiß niemand, der nicht dort lebt. Aber vor dieser Fassade waren die Spiele von Peking ein Meilenstein in der olympischen Geschichte. Die Sportstätten waren das Modernste und Beste, was man sich vorstellen kann, die Organisation angesichts der verfügbaren Menschenmassen traumhaft, die Freundlichkeit der Gastgeber unübertroffen. Der nächste Olympia-Ausrichter London wird in vier Jahren einiges bieten müssen, um auch nur ansatzweise an Peking heranzukommen. Was für die olympische Familie, viel mehr aber noch für die Gastgeber, das Wichtigste ist: Nach monatelangen politischen Diskussionen stand in den zwei olympischen Wochen der Athlet im Mittelpunkt. Der Sport mit seiner gesamten Palette von strahlenden Siegern, weinenden Verlierern, dem täglichen Blick auf den Medaillenspiegel und dem olympischen Motto „höher, schneller, weiter“. Und dieses Motto wurde in Peking extrem ausgereizt. Angesichts der Flut von Fabel-Weltrekorden in der Schwimmhalle und dem Leichtathletikstadion fragt man sich, ob diese alle sauber zustande kamen. Mit 45 Dopingfällen rechnete IOC-Präsident Jacques Rogge im Vorfeld der Spiele, eine Zahl, die von Mensch und Pferd nicht erreicht wurde – zumindest aber nicht entdeckt wurde. Es gibt Ausnahme-Athleten wie den US-Schwimmer Michael Phelps, der in Peking mit acht Olympiasiegen in die Geschichte einging, oder den jamaikanischen Sprinter Usain Bolt, der dreimal Gold mit drei Weltrekorden gewann – in einer Leichtigkeit, die überirdisch war – und genau diese Dopingfragen wieder aufwirft.

Aus deutscher Sicht war Peking ein Gemischtwarenladen – mit Kaviarhappen und faulen Äpfeln. Schwimmer und Leichtathleten sind – mit Ausnahme von Britta Steffen – meilenweit von der Weltspitze entfernt, die Mannschaftssportarten enttäuschten mit Ausnahme der Hockey-Herren, dafür schafften es einzelne Sportler und Sportarten, sich dank Edelmetalls für einen Tag aus dem medialen Schatten ins gleißende Scheinwerferlicht zu bugsieren. Der erhoffte deutliche Sprung nach vorne im Vergleich zu Athen 2004 gelang jedenfalls nicht, trotz der 16 Goldmedaillen.

Bleibt die Frage, was der „normale“ Chinese von Peking 2008 hatte. China ist auf dem Reformweg, aber noch weit weg vom Ziel. Wenn die Spiele ein Zeichen für mehr Öffnung waren, hat sich die Vergabe für die Bevölkerung schon gelohnt. Wenn die Welt aber durch ein zweiwöchiges gigantisches Spektakel über die wahre Gesinnung der Machthaber, die sich im Glanz der fünf Ringe sonnten, getäuscht wurde, ist das Feuer erloschen. Es ist wohl wie bei Konfuzius: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.
b.pazen@volksfreund.de

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