Kampf dem Klimawandel

Die Grünen wollen das Ruder herumreißen.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: Mathias Krohn


Die Grünen haben sich auf ihrem Delegiertentreffen in Berlin mit viel Leidenschaft in die "Überlebensfrage des Planeten" gekniet. Das ist für sich genommen nicht verwunderlich. Umwelt und Klimaschutz bilden schließlich die DNA der Partei. Hinter den Programmdebatten stand allerdings auch die Überlebensfrage der Grünen selbst.

Die demoskopischen Befunde für die einst so erfolgsverwöhnte Partei sind mau. Im Saarland aus dem Landtag geflogen, in Nordrhein-Westfalen zur Opposition verdammt und in Schleswig-Holstein in ein schwarz-gelb-grünes Abenteuer mit ungewissem Ausgang gestolpert - auch die politische Großwetterlage ist offenbar im Wandel. Der Zeitgeist scheint sich von den Grünen abgewendet zu haben. Und bis zur Bundestagswahl bleibt nur noch wenig Zeit. Also muss man zumindest die Kernwählerschaft bei der Stange halten. Hier hat der Parteitag zweifellos geliefert.

Selten wirkten die Grünen so geschlossen und ihr Führungspersonal so entschlossen, irgendwie doch noch das Ruder herumzureißen. Sogar die sonst eher blasse Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hielt eine überraschend starke Rede. Überhaupt war die ganze Inszenierung nahezu perfekt darauf angelegt, die Partei-Basis aus ihrer Verunsicherung zu holen. Aber es gibt eben auch grüne Probleme, die kein Parteitag beeinflussen kann.

Ja, es stimmt, der Klimawandel ist objektiv ein Riesenproblem. Aber subjektiv drückt die allermeisten Bürger derzeit anderswo der Schuh. Trump, Brexit, Terror, innere Sicherheit. Und wenn die Rede doch aufs Klima kommt, wie jüngst bei Trumps Aufkündigung des Pariser Abkommens, dann gibt es gefühlt Angela Merkel. Prompt bot die Kanzlerin dem Mann im Weißen Haus die Stirn. Und nach diesem Muster dürfte es auch beim G-20-Gipfel Anfang Juli laufen. Die Grünen sind da im wahrsten Wortsinn nur Zaungast. Ein anderes Problem ist ihr strategisches Dilemma bei der Machtoption: Die Grünen wären verrückt, würden sie sich fest der SPD versprechen, nachdem es mangels sozialdemokratischer Masse schon dreimal in Folge bei Bundestagswahlen nicht für eine rot-grüne Mehrheit reichte. Ein klares Bekenntnis zur Union wäre dagegen für große Teile der grünen Basis ein rotes Tuch. Also pocht die Führungsetage auf Eigenständigkeit, was im Klartext Anschlussfähigkeit nach beiden Seiten meint. Der Preis dafür ist unkalkulierbar. Denn wer mit den Grünen ins Bett geht, weiß nicht, ob er mit Martin Schulz im Kanzleramt aufwacht oder doch wieder mit Angela Merkel. Ob das der Wähler goutiert?

Ihren Machtwillen haben die Grünen auf dem Berliner Konvent eindrucksvoll zelebriert. Auch das ist ein Überlebenszeichen. Denn die realistische Möglichkeit, sich mit Linken, AfD, und (im schwarz-gelben Regierungsfall) gar auch noch mit der SPD auf den Oppositionsbänken wiederzufinden, hieße für die Grünen, gar kein politisches Gehör mehr zu finden. Dann doch besser ein "Jamaika"-Abenteuer auch im Bund wagen.

nachrichten.red@volksfreund.de

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