Kommentar: Augenwischerei

Wer am Donnerstag mit dem Auto unterwegs war, der brauchte Nerven. Gute Nerven.

Kaum einer der Autofahrer vor einem hielt sich an die erlaubte Geschwindigkeit. Fast alle fuhren deutlich langsamer. Sie hatten offensichtlich Angst, in eine der zahlreichen Radarfallen während des bundesweiten Blitzmarathons zu tappen.
Doch kaum war der letzte Blitzer am Freitagmorgen abgebaut, wurde wieder "normal" gefahren - und eben auch an einigen Stellen gerast.
Nun könnte man sagen: Ziel erreicht. Durch die bloße Ankündigung eines großangelegten Kontrolltages halten sich plötzlich alle Autofahrer an die vorgegebene Geschwindigkeit. Doch die Reaktion am Tag nach dem Marathon-Blitzen zeigt auch, wie begrenzt die Wirkung einer solchen Aktion ist. Die Angst, dann wegen Rasens erwischt zu werden, ist wohl gering.
Und wenn jemand mal geblitzt wird, hält sich die Nachwirkung in den meisten Fällen, falls nicht gerade der Führerschein für ein paar Wochen weg ist, arg in Grenzen.
Viele werden zähneknirschend das Bußgeld bezahlen, sich dann vielleicht ein paar Wochen, vor allem an der Stelle, an der es geblitzt hat, penibel an die Geschwindigkeit halten und danach wieder hin und wieder doch mal wieder zu schnell unterwegs sein.
Die Polizeigewerkschaften haben recht: Wer erwischt wird und dann mahnende Worte eines Beamten hört, vielleicht noch sich seine rasante Fahrt auf dem Video im Polizeiwagen anschaut, der überdenkt eher sein Fahrverhalten, als jemand, der Wochen später nach dem Erhalt seines Bußgeldbescheids einfach nur seine Strafe zahlt.
Aber Hand aufs Herz: Wann sind Sie das letzte Mal von der Polizei angehalten und kontrolliert worden? Es gibt sie kaum noch, die Fahrzeugkontrollen. Weil, so sagen die Polizisten, kein Personal dafür da ist.
Das kann nicht sein. Denn so bringen Blitzer- oder Landeskontrolltage auch nichts. Außer, dass sich die Polizei medienwirksam dabei präsentieren kann. Sie sind eigentlich Augenwischerei und wiegen die Bürger in falscher Sicherheit. Der Alltag der Polizei sieht nämlich anders aus.
Das weiß jeder, der sie mal brauchte. Etwa nach einem Einbruch oder einem Autodiebstahl. Die Tat wird zwar noch aufgenommen. Fahndung nach den Tätern? Meistens Fehlanzeige.
Auch dafür reicht das Personal nicht aus. Die Beamten sind froh, wenn sie ihre alltägliche Routine schaffen. Und wenn sie mal einen Teil ihrer Überstunden abbauen können - mehr als eine Million sind es in ganz Rheinland-Pfalz -, deren Zahl durch den jüngsten Blitzmarathon noch angewachsen sein dürfte.
b.wientjes@volksfreund.de

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