Kommentar: Dreyers Befreiungsschlag

Trier · Wer da geglaubt hat, Malu Dreyer sei nur die nette, sympathische Landesmutter, die ansonsten gefangen ist in den Netzen des Nürburgrings, wurde spätestens gestern eines Besseren belehrt. Ein Kommentar von Volksfreund-Chefredakteurin Isabell Funk

Die geplante Kabinettsumbildung ist keine kosmetische Korrektur, sie ist ein Befreiungsschlag. Nürburgring, immer wieder Nürburgring, immer wieder neue Hiobsbotschaften. Ein vernichtender Rechnungshofbericht, der Spruch der EU-Kommission über rechtswidrig geflossene Steuermillionen, Rücktrittsforderungen der CDU-Opposition an die Adresse von Finanzminister Kühl, Fraktionschef Hering und Innenminister Lewentz, ein russischer Oligarch, der plötzlich für den Düsseldorfer Mittelstandsbetrieb Capricorn als Investor einspringt - zuletzt hatte man den Eindruck, dass die Landesregierung und damit auch die Ministerpräsidentin nur noch Getriebene waren.

Und doch kommt Dreyers Coup überraschend. Noch in ihrer jüngsten Regierungserklärung hatte sie sich zwar deutlicher als bisher von ihrem Vorgänger Kurt Beck distanziert, aber personelle Konsequenzen im Kabinett ausgeschlossen. Was letztlich den Ausschlag für Dreyers rigoroses Durchgreifen gab, mag die allgemeine Gemengelage gewesen sein. Noch prüft die Staatsanwaltschaft erst, ob sie gegen Kühl und Hering - ehemals für das Zukunftskonzept Nürburging verantwortlich - wegen des Anfangsverdachts einer Straftat ermittelt. Wäre dies der Fall, könnte es für Dreyer höchst gefährlich werden. Es ist nachvollziehbar, dass sie die beiden deshalb vorsorglich aus dem Wege räumt.
Und wenn die Regierungschefin schon einmal am Reinemachen ist, macht sie es gründlich. Eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl ist gerade noch Zeit genug, ein Team nach ihren Vorstellungen zu formen, dem nicht mehr die Beck'sche Handschrift anhaftet.

Justizminister Hartloff und Europaministerin Conrad sind in dieser Rochade nur Randfiguren, die gleichwohl nicht für die Zukunft stehen. Er hat die Justizreform nicht hingekriegt, sie wurde gar nicht wahrgenommen. Lewentz, der lange Zeit als Beck-Nachfolger gehandelt wurde, bleibt zwar weiterhin als Minister im Spiel, ihn braucht die Regierungschefin aber in erster Linie als Parteivorsitzenden, der die Reihen zusammenhält.
Malu Dreyer hat gestern gezeigt, dass sie nicht nur Ministerpräsidentin von Becks Gnaden ist. Es mag sein, dass sie jetzt in ihrer SPD ein paar Freunde weniger hat. Dafür dürfte sie sich aber umso mehr Respekt in der Öffentlichkeit erworben haben.

Aber auch das ist jetzt endlich klar: Die nächste Landtagswahl wird eine Abstimmung über das Team Dreyer werden. Die Rolle, die die Grünen dabei spielen, ist dagegen völlig offen. Deren Regierungsmitglieder stehen gerade in den eigenen Reihen unter Beschuss, weil die Basis ein eigenständiges Profil vermisst. Und auch ein schwarz-grünes Bündnis ist noch längst nicht ausgeschlossen.
i.funk@volksfreund.de

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