Kommentar: Warum der Richter im Fall Hoeneß einen schweren Job hat

Trier · Man möchte nicht tauschen mit dem Richter, der ab heute den Fall Uli Hoeneß zu verhandeln hat. Die Erwartungen sind riesig, aber so gegensätzlich, dass sie niemand erfüllen kann. Ein Kommentar von Dieter Lintz.

Die einen wollen ein Exempel an einem notorischen Steuerbetrüger statuiert sehen, die anderen verlangen, dass man gnädig mit einem überaus erfolgreichen und sozial engagierten Sport-Unternehmer umgeht.
In einem Rechtsstaat gibt es zum Glück keine Schauprozesse. Wichtigste Funktion eines Strafverfahrens ist, dass eine rechtswidrige und schuldhaft begangene Tat zweifelsfrei festgestellt und die dem Täter individuell angemessene Strafe verhängt wird. Egal, ob er Rolf Mustermann heißt oder Ulrich Hoeneß. Sympathisch oder unsympathisch, reich oder arm, populär oder unbekannt: Das sind keine relevanten Kriterien. Und wenn in bestimmten Milieus Millionen hin- und hergeschoben werden wie bei einem Normalbürger Hundert-Euro-Scheine, dann ist auch das noch keine Straftat.
Es "denen da oben" mal zu zeigen, ist ein Gedanke, der in einem Strafprozess nichts zu suchen hat. Das ist die eine Seite. Die andere lernt jeder Jura-Student im ersten Semester: Gerichtsverfahren und Urteile haben auch eine generalpräventive Funktion. Vom Juristischen ins Deutsche übersetzt: Sie dienen der Stärkung der Rechtsordnung, indem sie dem Bürger zeigen, dass der Staat eine Verletzung oder einen laxen Umgang mit den Gesetzen nicht zulässt. Entstünde der Eindruck, Rechtsnormen würden nicht ernst genommen oder in das Belieben des Einzelnen gestellt, wären die gesellschaftlichen Folgen fatal.
Genau das macht das Hoeneß-Verfahren so schwierig. Der frenetische Jubel für den Steuerhinterzieher bei der letzten Mitgliederversammlung von Bayern München, die "Uli Hoeneß, du bist der beste Mann"-Ovationen hängen dem Angeklagten wie ein Klotz am Bein. Denn dahinter steht eine "legal, illegal, scheißegal"-Mentalität, die der Staat nicht akzeptieren kann. "Bist Du erfolgreich, darfst du alles": Das geht gar nicht. Dazu kommt die schrille Begleitmusik der öffentlichen Debatte. Da brüsten sich Steuerbetrüger in seitenlangen Interviews mit einem völligen Mangel an Schuldbewusstsein, da offenbaren gestandene Länderfinanzminister mit Aussagen wie "Lieber volle Kassen als volle Gefängnisse" eine erschreckende Ablasshandel-Mentalität.
Man kann der Erosion des Rechtsgefühls in Sachen Steuern förmlich zusehen. Und irgendwann wird sich auch der letzte Normal-Steuerzahler fragen, ob der Ehrliche nicht tatsächlich der Dumme ist. Diesen Hintergrund im Kopf zu behalten, gleichzeitig der Person Hoeneß gerecht zu werden, die Vorgänge transparent auszuleuchten und ein plausibles Urteil zu finden: Das ist ein extrem schwieriger Job. Man möchte nicht tauschen mit dem Richter, der ab heute den Fall Uli Hoeneß zu verhandeln hat.

d.lintz@volksfreund.de

Mehr zum Thema

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort