Lafontaine schafft sich Arbeit vom Hals

Für einen Moment schien es gestern so, als wollte sich Oskar Lafontaine aufs Altenteil zurückziehen. Dafür sorgte eine Eilmeldung der Nachrichtenagenturen, der 66-Jährige stehe nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zur Verfügung. Doch politische Nachrufe waren verfrüht. Sein Bundestagsmandat will der Saarländer genauso behalten wie den Parteivorsitz.

Berlin. Bereits seit Donnerstag gab es Spekulationen über Lafontaines möglichen Teilrückzug. Sie wurden auch durch den Chef der saarländischen Linken, Rolf Linsler, befeuert, der Lafontaines Verbleib im Landtag von Saarbrücken für den Fall angekündigt hatte, dass es zu einer rot-rot-grünen Landesregierung kommt. Das Zünglein an der Waage sind die Saar-Grünen, die darüber am morgigen Sonntag entscheiden wollen. Auf der Klausurtagung der Bundestags-Linken gestern in brandenburgischen Rheinsberg dementierte Lafontaine jedoch einen solchen Zusammenhang. Sein Entschluss, nicht mehr für die Fraktionsspitze im Bundestag zu kandidieren, begründete er mit parteiinternen Überlegungen. Sowohl für die Doppelspitze der Bundestagsfraktion als auch für die der Partei müssten künftig die Frauenquote und der Ost-West-Proporz Beachtung finden. Da im Saarland noch keine Entscheidung für ein Regierungsbündnis gefallen sei, könne er sich auch nicht zu einer möglichen Rolle dort äußern.

Anders als zuvor kolportiert will Lafontaine sein Bundestagsmandat behalten. Der Parteivorsitz steht für ihn ebenfalls nicht zur Disposition. Darauf wolle er sich jetzt "konzentrieren", verkündete Lafontaine. Beobachter schlossen daraus, dass der Saarländer weiter eine Schlüsselstellung bei den Linken einnehmen wird. Lafontaine schaffe sich nur etwas Arbeit vom Hals, aber sein Einfluss bleibe erhalten. Auf dem Klausurtag der Linken wurde zunächst Gregor Gysi als Fraktions-Chef bestätigt. Er erhielt 94,7 Prozent der Stimmen. Der Zeitpunkt für die Wahl seiner Co-Vorsitzenden, die aus den alten Bundesländern stammen müssen, steht noch nicht fest. Spätestens daran wird deutlich, dass Lafontaines Entscheidung nicht in den Fraktionsgremien abgestimmt war, sondern für die meisten völlig überraschend kam.

Parteienforscher Peter Lösche ist überzeugt, dass sich durch Lafontaines Entschluss, den Fraktionsvorsitz abzugeben, das Verhältnis zwischen SPD und Linken schneller normalisieren wird als gedacht.

Oskars Paukenschlag

Oskar Lafontaine ist immer für politische Paukenschläge gut. 1995 putschte er sich in den Chefsessel der SPD. Vier Jahre später flüchtete er aus allen politischen Funktionen. Nun verblüfft Lafontaine seine neuen Parteifreunde, weil er auf der Bundestagsbühne nicht mehr Fraktions-Chef sein will. Der Entschluss gibt zunächst Rätsel auf. Wenn der Saarländer trotzdem ein Stück Macht aus der Hand gibt, dann im Interesse eines längerfristigen Projekts. Käme es an der Saar zu einer rot-rot-grünen Regierung, dann wäre das ein Signal weit über die Grenzen des kleinen Landes hinaus. Im nächsten Jahr wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Dort schielen SPD und Linke ebenfalls nach der Macht. Auch wird über rot-rot-grüne Konstellationen nach der nächsten Bundestagswahl spekuliert. Würde das Experiment an der Saar scheitern, wäre das keine gute Empfehlung. Deshalb will Lafontaine die Dinge persönlich in die Hand nehmen. nachrichten.red@volksfreund.de

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