Lohn für Visionen

Die Vergabe des Friedens-Nobelpreises an US-Präsident Barack Obama gerade einmal neun Monate nach Amtsantritt verdient, nimmt man die Reaktionen aus aller Welt als Maßstab, durchaus das Prädikat "umstritten".

Kritiker verweisen zu Recht darauf, dass sich Obama zwar in seinen zahlreichen Reden für verstärkte Diplomatie, multilaterales Handeln, ein Zugehen auf bisher als Gegner empfundene Staaten und eine atomwaffenfreie Welt starkgemacht und die Weltmacht USA im internationalen Gefüge nach der konfrontativen Ära Bush neu positioniert, aber bisher wenig konkrete Erfolge vorzuweisen hat.

Im Atomstreit mit dem Iran gibt es zwar minimale Bewegung, doch ist noch völlig offen, ob die jüngsten Zugeständnisse eingehalten werden und nicht nur wieder ein Spiel auf Zeit der Machthaber in Teheran sind. Die ausgestreckte Hand des Weißen Hauses auch in Richtung Nordkorea hat bisher ebenfalls noch keine messbare Annäherung gebracht. Für den Nahost-Friedensprozess gilt dieses Fazit ebenso wie für die eher bescheidenen Bemühungen Obamas um ein Ende des folgenreichen Konfliktes im Sudan.

Ist man also in Oslo jener "Obamania" erlegen, die in den USA längst abgeflaut ist? Das Komitee verwies gestern darauf, es habe schon immer versucht, noch nicht abgeschlossene Bemühungen um den Frieden zu fördern. Nimmt man dies als wichtigsten Maßstab für Preiswürdigkeit, verdienen die Visionen des US-Präsidenten zweifellos eine besondere Würdigung. Zu viele Politiker auf dieser Welt schaffen es nicht, sich aus den Niederungen der oft zermürbenden Alltagsgeschäfte zu befreien und globale Ziele klar zu definieren. Barack Obama hat sich hier, natürlich auch dank seiner eleganten Eloquenz, als Ausnahmetalent erwiesen. Man mag seine Hoffnung auf eine ganz von Atomwaffen befreite Welt belächeln, doch immerhin wird - begünstigt durch das jüngste "Nein" zum Raketenschild - zwischen Washington und Moskau wieder ernsthaft über nukleare Abrüstung geredet. Und der verunsicherten muslimischen Welt präsentierte Obama sein Verständigungsangebot in Kairo höchstpersönlich. Derartige Entwicklungen sind zwar noch keine Garantie für wirkliche Fortschritte, aber dennoch eine dramatische Wende in der US-Außenpolitik. Wobei die überraschende Preisvergabe nun die Erfolgs-Messlatte für Barack Obama auf eine neue Höhe gelegt hat.

nachrichten.red@volksfreund.de

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