Loyalitätskonflikte

Der nicht enden wollende Dieselskandal zeigt: Die Marktaufsicht ist besser bei der EU-Kommission aufgehoben.

 Markus Grabitz

Markus Grabitz

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Vorsicht. Auch Daimler darf nicht vorverurteilt werden. Ein Durchsuchungsbeschluss für die Staatsanwaltschaft heißt noch lange nicht, dass Daimler des Einsatzes der Schummelsoftware überführt wäre. Es deutet sich aber an, dass auch der Stuttgarter Konzern tiefer in den Skandal verstrickt ist als man bisher annehmen durfte.

Immer kritischer hinterfragen muss man die Rolle von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Diesel-Skandal. Ein Aufklärer, wie der um markige Sprüche nie verlegene Bayer gern behauptet, ist er wohl nicht. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist jedenfalls deutlich strenger, wenn es darum geht, Missstände aufzudecken und Übeltäter zu entlarven als das Ministerium. Dobrindts nachgeordnete Behörden sind aber für die Marktüberwachung verantwortlich. Es drängt sich der Eindruck auf, dass sie es damit nicht allzu genau nehmen. Sie sehen sich offensichtlich eher als Partner der Industrie, die hierzulande so wichtig ist. Wenn VW und womöglich andere Hersteller auch aber nach Strich und Faden betrügen und die Aufsichtsbehörden davon nichts wissen wollen, dann werden sie zu Komplizen.

Loyalitätskonflikte sind nicht gut, aber nachvollziehbar. Schließlich geht es um eine Branche, die für Arbeitsplätze, Wohlstand und viel Prestige am Industriestandort sorgt. Daher wäre es besser, wenn nicht die nationalen Behörden die Marktaufsicht hätten. Auch die Regierungen in Rom und Paris werden gewisse Beißhemmungen haben gegenüber Fiat oder Peugeot. Die EU-Kommission würde sich anbieten. Brüssel beweist bei Kartellrechtsverfahren immer wieder, dass ohne Rücksicht auf regionale oder nationale Interessen streng hingeschaut wird. Da spricht nichts dagegen, mehr Kompetenzen auch bei der Marktaufsicht an Brüssel abzugeben. Die Kommission fordert dies schon länger. Vor allem die Mitgliedsländer, wo der VW-Konzern seine Produktion aufgebaut hat, stehen hier aber eisern auf der Bremse. Damit tun sie der Autoindustrie keinen Gefallen. VW (und Daimler?) sollten Erfolg haben, weil die Autos überzeugen, nicht, weil die Aufsicht alle Augen zudrückt.

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