Masse im Gleichklang

Glückwunsch zu einer bildmächtigen, grandiosen, fantasievollen Eröffnungsfeier. Die Chinesen haben gezeigt, was man zustandebringen kann...

Das wäre die Chance dieser Olympischen Spiele: ein Land kennen und verstehen zu lernen, das die Welt im 21. Jahrhundert stärker prägen wird als jedes andere. Auch wenn es unserem europäischen Tunnelblick schwer fällt, das zu realisieren.

Aber wer - neben dem Spaß am Sport natürlich - etwas dazulernen will, braucht einerseits einen kritischen Blick, andererseits die Bereitschaft, sich offen auf Eindrücke einzulassen. In der verkrampften Debatte hierzulande haben wir meistens so getan, als sei nur eines von beiden möglich. Die einen richteten den Blick starr auf die fraglos gravierenden Defizite der Chinesen in punkto Demokratie und schwenkten bis zur Penetranz die Menschenrechtsfahne, als sei es das einzige, was sich über dieses riesige Land im Aufbruch zu wissen lohnt.

Die anderen reklamierten eine vermeintliche Politikfreiheit des Sports und das Recht, sich um anderes nicht kümmern zu müssen, als seien nicht Olympische Spiele und die Teilnahme daran ein Politikum per se.

Wer sagt denn, dass nicht beides möglich ist: zu kritisieren, was man für kritikwürdig hält, ohne Arroganz und Provokation, aber auch ohne als Diplomatie getarnte Schleimerei. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie man es in Atlanta, Seoul oder Moskau getan hat, auch wenn es die Gastgeber nicht begeisterte.

Aber die Kehrseite ist eben auch, anzuerkennen, wie viel Bewegung, wie viel Öffnung es in China gibt. Mit Aufmerksamkeit auf das zu sehen, was sich ändert, und dabei nicht aus dem Blick zu verlieren, wie lange die Europäer zur Überwindung des Feudalismus oder die Amerikaner zur Abschaffung der Sklaverei gebraucht haben. Demokratie braucht manchmal Zeit.

Schön wär's, wenn unsere Fernseh-Anstalten und Korrespondenten es in den nächsten Wochen schaffen würden, uns mehr aus China zu vermitteln als Sport-Ergebnisse. Aber, wenn's geht, nicht nur gebetsmühlenartige Pflichtübungen. Auch wenn's tibetanische Gebetsmühlen sein sollten.

d.lintz@volksfreund.de

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