Mehr Standhaftigkeit bitte

Einmal hü, einmal hott. Es ist nicht zu fassen, welche Pirouetten derzeit SPD und Union drehen, wenn es um Lösungen der Flüchtlingsproblematik geht.

Vorschläge, die gestern noch verteufelt worden sind, weil vom politischen Gegner, werden sich heute zu eigen gemacht. Jüngstes Beispiel: SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles. Sie fordert, dass Flüchtlinge zur Integration verpflichtet werden müssen, wer sich weigert an Kursen teilzunehmen, bekommt keine Leistungen. Man reibt sich verwundert die Augen. Handelt es sich dabei nicht um das Integrationspflichtgesetz, dessen Erfindung die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner für sich reklamiert? Eben jener Vorschlag, den die SPD zunächst in Grund und Boden geredet hat. Bis dann nach den Vorfällen in Köln der SPD-Chef Gabriel bereits eine solche Integrationspflicht fordert und nun eben auch Nahles. Die CDU hierzulande wird die (nachdem Hick-Hack um die Elefantenrunde) erneute Wankelmütigkeit der Sozialdemokraten freuen.

Davon abgesehen, dass es eine solche Verpflichtung samt drohender Leistungskürzung längst gibt, zeigen die mittlerweile täglich kommenden Vorschläge der Parteien deren Hilflosigkeit. Sie überbieten sich mit mehr oder weniger sinnvollen Ideen, um den Bürgern zu zeigen, wir haben die Lage im Griff. Zumeist handelt es sich dabei jedoch um reine Symbolpolitik, um Aktionismus.
Wie etwa die überstürzten Reaktionen auf die Kölner Silvesternacht. Die meisten danach gemachten Vorschläge werden sich rechtlich nicht umsetzen lassen und landen schnell wieder in der Schublade. Auch die von NRW-Ministerpräsidentin Kraft geforderte (und von ihrer SPD-Kollegin Malu Dreyer vergangene Woche noch abgelehnte) Residenzpflicht steht rechtlich auf tönernen Füßen. Egal. Die Wähler sollen glauben, dass auch die Sozialdemokraten mit harter Hand auf die Flüchtlingskrise reagieren und zwar mit genau den populistischen Forderungen, gegen die sie vorher lautstark gewettert haben. Auch bei der CDU, vor allem der Bundeskanzlerin, verhält es sich nicht anders. Sie wird immer mehr zur Getriebenen der bayrischen Schwesterpartei. Genauso wenig standhaft zeigen sich die Grünen, die zunehmend ihre Positionen in der Flüchtlingspolitik aufgeben (Stichwort: sichere Herkunftsländer), um, wie hier in Rheinland-Pfalz, den Koalitionsfrieden mit der SPD nicht zu gefährden.
Die Parteien geben ihre Glaubwürdigkeit, ihre Überzeugung und ihre Stammwähler auf, im Glauben, sie könnten dadurch nach rechts driftende Protestwähler wieder in die Mitte lotsen. Ein Irrglaube.
b.wientjes@volksfreund.de

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