Merkels Kritiker machen Dampf

Trübe Aussichten für die Wirtschaft: Sollte die Regierung reagieren und rasch die Steuern senken? Darüber wird zurzeit in der Union erbittert gestritten.

Berlin. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla legte vorige Woche im Gespräch mit unserer Zeitung besonderen Wert auf folgenden Hinweis: "Nach der Bundestagswahl" werde man eine Steuerreform angehen. "Die Bürger müssen wieder mehr netto in der Tasche haben." In der Union bestreitet das niemand. Doch womöglich wird Pofallas Zeitplan nicht mehr einzuhalten sein - der Druck auf die Führung der CDU wird immer größer, noch vor der Bundestagswahl 2009 die Bürger steuerlich deutlich zu entlasten.

Deutschland muss sich auf wirtschaftlich harte Zeiten gefasst machen. "Wir müssen damit rechnen, dass das kommende Jahr, zumindest in den ersten Monaten, ein Jahr schlechter Nachrichten wird", ließ Kanzlerin Angela Merkel am Wochenende wissen. Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) meinte, ein schweres Jahr 2009 stehe bevor. Angesichts dieser trüben Aussichten ist nun innerhalb der Union ein handfester Steuerstreit entstanden: Die Zahl derer wächst, die auf die massive Konjunkturkrise schon im kommenden Jahr mit Steuersenkungen reagieren wollen - und nicht, wie Merkel und Pofalla, erst 2010.

Vor allem die CSU macht Dampf. Aber auch in Merkels CDU rumort es kräftig: Die einflussreichen Mittelständler in ihrer Partei fordern einmütig schnelle Entlastungen, daneben werden seitens der Landesverbände ähnliche Töne laut. Und von der Bundestagsfraktion der Union weiß man, dass viele Abgeordnete lieber heute als morgen vor ihre unzufriedenen Wähler mit der frohen Botschaft von Steuersenkungen treten wollen. Schon glaubt indes die SPD, sich auf Kosten des Koalitionspartners profilieren zu können: Es sei "ein Glück für unser Land, dass Sozialdemokraten in der Regierung sind und entschlossen die politische Linie ziehen", stichelte am Wochenende SPD-Chef Franz Müntefering.

Noch bremst Merkel. Aber der CDU-Parteitag kommende Woche in Stuttgart verspricht spannend zu werden. Merkels Philosophie

Das Thema Steuersenkungen verfolgt Merkel nicht erst, seit die CSU es für sich und den bayerischen Landtagswahlkampf entdeckt hatte. Davor schon war der Unmut in den Reihen der Union besonders groß, weil viele Bürger ihren Abgeordneten ins Stammbuch schrieben, sie würden vom Aufschwung nichts spüren. Und in der Tat: 2006 und 2007 stiegen die Bruttolöhne um 43 Milliarden Euro, lediglich 17 Milliarden kamen bei den Arbeitnehmern an. Der Fehler steckt im System. Doch erst ab 2010 will die Regierung der "kalten Progression" den Garaus machen. Viel zu spät. In guten Zeiten haben die Bürger kaum vom Aufschwung profitiert, in schlechten sollen sie erst recht nicht entlastet werden. Das ist Merkels Philosophie. Wann dann? Die Kanzlerin wäre gut beraten, jetzt ein klares Zeichen gegen den um sich greifenden Pessimismus zu setzen. nachrichten.red@volksfreund.deExtra Geschenk zu Weihnachten: Die britische Regierung will die Mehrwertsteuer senken und so die strauchelnde Wirtschaft ankurbeln. Die Verbrauchssteuer werde bis Weihnachten wahrscheinlich auf bis zu 15 (derzeit 17,5) Prozent reduziert, berichteten britische Medien am Sonntag.

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