Neuer Motor, neues Denken

Als die Grünen vor ein paar Jahren begannen, für Elek-troautos zu werben, wurden sie von den anderen Parteien nur milde belächelt. Es gab zwar Elek-troautos, doch die sahen meist aus wie - pardon - Kleinfahrzeuge für Behinderte mit Tempo-25-Schildern hintendrauf.

Niemand wollte sie kaufen. Einen Ölpreisschock später und eine globale automobile Absatzkrise weiter ist das Stromauto plötzlich so hipp, dass die Massenmotorisierung mit E-Mobilen nun offizielle Regierungslinie geworden ist. Schneller sind nicht mal verwaschene Jeans oder Tattoos in der Steiß-Gegend seinerzeit in Mode gekommen.

Bei aller Begeisterung - derzeit fehlt es noch an fast allem, um aus der elektronischen Vision massenhafte Wirklichkeit werden zu lassen. Die Batterietechnik steckt noch völlig in den Kinderschuhen. Hier macht Forschungsförderung großen Sinn. Dann die Systemfrage. Setzt man auf eine Mischung aus Elektro- und Benzinantrieb, auf Schnellladung oder auf Batterieaustausch, um höhere Reichweiten zu erzielen? Die Hersteller experimentieren noch wild herum. Mittelfristig wird es eine wichtige internationale Aufgabe sein, die Standards frühzeitig festzulegen, anders als bei den Handy-Ladegeräten oder Laptop-Akkus. Drittens: Das Elek-troauto nützt der Umwelt nur, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt. CDU und FDP werden ergänzen: auch aus Atomkraft. Diese Frage ist überhaupt noch nicht geklärt. Geschweige denn, dass es Ideen für die Stromnetze der Zukunft gäbe. Wenn dort die instabilen Quellen Sonne und Wind vermehrt Leistungen einspeisen und gleichzeitig Millionen von Autobatterien Speichermöglichkeiten anbieten, dann müssen die Stromnetze ganz anders aussehen als heute. Ohne einen klaren energiepolitischen Kurs fährt auch das Elektroauto in die ökologische wie ökonomische Sackgasse, denn dann ist es nur ein Energiefresser mehr. Das gestern hastig verabschiedete Konzept beantwortet all diese Fragen nicht. Es ist der Versuch, auf der Modewelle mitzureiten. Immerhin. Denn bisher hat die Regierung durchaus andere Signale gesetzt. Mit der Abwrack-Prämie hat sie gerade erst den konventionellen Antrieb noch einmal heftig gefördert. Und im Streit um die künftigen Emissionsgrenzen hat sie sich bei der EU massiv für die Interessen der deutschen Autoindustrie mit ihren PS-starken Modellen eingesetzt - und so mit dafür gesorgt, dass der Elektrotrend hierzulande noch länger verschlafen wurde. Für ein glaubwürdiges und vor allem wirkungsvolles Umsteuern braucht es mehr als ein bisschen Absatzförderung, wie die Regierung für die ersten 100 000 E-Autos plant. Dafür braucht man neues Denken. nachrichten.red@volksfreund.de

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