Politik zum Wohlfühlen

Nicht überall, wo Wachstum drauf steht, ist auch Wachstum drin. Das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das die neue Bundesregierung jetzt auf den Weg gebracht hat, ist in weiten Teilen ein Etikettenschwindel.

Beispiel Erbschaftssteuer: Warum sich die fiskalische Besserstellung von Nichten und Neffen im Erbfall wohltuend auf die Konjunktur auswirken soll, bleibt ein schwarz-gelbes Geheimnis. Zumal Erbschaften stetig an Bedeutung gewinnen und die Erhöhung staatlicher Einnahmen daraus schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit sinnstiftender wäre als eine Senkung.

Als reine Klientelpolitik versteht sich in Wahrheit auch die Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen. Zur Erinnerung: Es war die FDP, die im Wahlkampf für Steuervereinfachungen getrommelt hat. Nun hebt sie die Hand für einen weiteren Ausnahmetatbestand. Das begreife, wer will.

Die Erhöhung des Kindergeldes wiederum sei allen Familien von Herzen gegönnt. Dass damit ein spürbares Wachstum verbunden ist, erscheint jedoch zweifelhaft. Im günstigsten Fall stabilisiert diese Maßnahme den Binnenkonsum.

Erstaunlich ist übrigens auch, was in dem Gesetz nicht steht: Der versprochene Steuerausgleich für das Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenkassen hängt nach wie vor in der Luft. Erst wollte die Regierung einen Schattenhaushalt dafür einrichten, nun geht sie ganz auf Tauchstation. Die Wahrscheinlichkeit einer flächendeckenden Erhebung von Zusatzbeiträgen schon im kommenden Jahr wird dadurch eher noch größer. Denn die Kassen wollen Planungssicherheit.

Unter dem Strich hat Schwarz-Gelb viel Wohlfühlpolitik in Paragrafen gegossen. Dabei stehen dank der Vorgängerregierung bereits Entlastungen von einem Euro im Gesetzblatt, die ebenfalls 2010 greifen sollen. Angesichts der immensen Haushaltslöcher ist schon dieses Vorhaben mutig. Die zusätzlichen Steuergeschenke bilden erst recht einen ungedeckten Scheck auf die Zukunft.

Letztlich sind es Steuersenkungen auf Pump, deren Folgen um so bitterer zu werden drohen, je näher die Einführung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse rückt. Vom Sparen wollen Union und FDP trotz steigender Schulden noch immer nichts wissen. Jedenfalls nicht bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai des nächsten Jahres. Danach werden die Karten neu gemischt.

nachrichtenred@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort