Präsidentschaftswahl in Frankreich: Macron muss nun Farbe bekennen (Kommentar)

Paris · Er muss Millionen Wähler rechts und links überzeugen - und zwar nicht nur als Anti-Le Pen. Ein Kommentar unserer Frankreich-Korrespondentin Christine Longin.

 Christine Longin

Christine Longin

Foto: Redaktion

Auch wenn das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen Erleichterung hervorruft, besteht kein Grund zum Feiern. Zu niederschmetternd ist die politische Landkarte Frankreichs, die die Rechtspopulistin Marine Le Pen in 19.000 Kommunen vorne zeigt. Wahlsieger Emmanuel Macron hat es nur in gut 7000 Kommunen geschafft, darunter in den großen Städten wie Paris und Lyon.

Die Zahlen sind eine Steilvorlage für den Front National und sein Selbstverständnis als "Partei des Volkes" gegen die Eliten. Und Macron muss nun schnell darauf reagieren. Sein Wahlabend in einem Pariser Nobelrestaurant war das falsche Signal. Nur 790.000 Stimmen trennten den 39-Jährigen in der ersten Runde von Le Pen. Er muss sich anstrengen, wenn er am 7. Mai die 60 Prozent plus X schaffen will, die ihn zu einem wirklich glaubwürdigen Präsidenten machen. Allein mit schönen Worten wird er die Mehrheit der Franzosen nicht für sich gewinnen.

Macron muss sich von der idealen Welt verabschieden, in der der Wolf beim Lamme liegt. Der wahre Wahlkampf beginnt erst jetzt und er wird mit harten Bandagen geführt. Le Pen als Polit-Profi hat das schon lange begriffen. Sie ist eine Kandidatin, die jahrzehntelange Kampagnen-Erfahrung und eine gut geölte Partei hat. Der Polit-Neuling ist da im Nachteil. Doch er darf sich keine Schwäche gönnen und muss seine Konkurrentin nun auf ihrem eigenen Terrain angreifen. Er darf diejenigen nicht enttäuschen, die ihn in der ersten Runde zum Sieger eines weltoffenen, EU-freundlichen Frankreichs machten.

Bisher hat der Kandidat viel Glück gehabt: Die Sozialisten kegelten seinen Widersacher Manuel Valls aus dem Rennen und die eigentlich favorisierten Konservativen demontierten sich mit dem Affären-belasteten François Fillon selbst. Aber um Präsident zu werden, braucht es mehr als nur Fortune. Macron muss nun Farbe bekennen. Er muss Millionen Wähler rechts und links überzeugen - und zwar nicht nur als Anti-Le Pen. Er muss sagen, wie er sein Programm umsetzen und ohne eigene Partei regieren will. Die Antwort auf diese Fragen ist er nicht nur seinen Landsleuten schuldig, sondern ganz Europa, zu dessen Hoffnungsträger er geworden ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort