Pure Hilflosigkeit

Das ist der Stoff, aus dem Alpträume für Politiker werden: Ein ehemaliger vertrauter Mitarbeiter mit intimen Kenntnissen des Partei-Innenlebens gerät ins Visier der Justiz und verrät munter pikante Details, um sich vor der Strafverfolgung zu retten.

Man könnte versucht sein, Mitleid mit CDU-Parteichef Christian Baldauf und seinen Mitstreitern zu haben - hätte dieser nicht selbst die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, um die finanziellen Ungereimtheiten mit der Fraktionskasse aufzuklären.

Aus dem hehren Ansinnen, Licht ins Dunkel zu bringen, ist für den jungen Parteivorsitzenden und die CDU ein Bumerang geworden. Anfangs ließen sich die Enthüllungen von Ex-Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen noch als plumpe Versuche abtun, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Doch mittlerweile liegen dem Staatsanwalt Unterlagen vor, die den Verdacht der illegalen Wahlkampf-Finanzierung aus der Fraktionskasse nähren. Es war also mindestens taktisch unklug, wenn nicht sogar naiv von Baldauf, die Angelegenheit auf Hebgen und Ex-Parteichef Christoph Böhr abwälzen zu wollen und sämtliche Unterlagen aus der Hand zu geben. Das Resultat ist pure Hilflosigkeit in allen Fragen - und derer gibt es viele. Außerdem, auch das hat Baldauf wohl übersehen, macht der Wähler die CDU verantwortlich und nicht einzelne Personen.

Die spannendste Frage lautet nun: Leidet die CDU-Landtagsfraktion unter kollektivem Gedächtnisschwund? Kann sich keiner an die Unternehmensberatung erinnern und daran, dass diese offenbar vor versammelter Mannschaft ein Wahlkampfkonzept präsentierte? Mindestens einer muss genau gewusst haben, was vor sich ging: Christoph Böhr. Vermutlich hat der gescheiterte Spitzenkandidat bei der Wahl 2006 bislang genau deshalb nicht mehr als ein dürftiges, nichtssagendes Dementi von sich gegeben. Böhr ist nun als Erster gefordert, Farbe zu bekennen.

Unabhängig davon weitet sich die "Affäre Hebgen" mittlerweile zu einem handfesten Skandal aus, der weitreichende Folgen haben wird. Nach allem, was man weiß, wird der Mainzer Staatsanwalt gar nicht umhin können, seine Ermittlungen auf weitere Partei-Verantwortliche auszudehnen. Das wiederum wird für negative Schlagzeilen bis weit ins nächste Jahr hinein sorgen - und 2009 ist das Superwahljahr mit Kommunalwahlen, Bundestags- und Europawahl. Ein Desaster für Baldauf, das alsbald wieder seine Kritiker auf den Plan rufen wird.

f.giarra@volksfreund.de

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