Ruck-Rede mit Charme

Es war die Ruck-Rede des Präsidenten der EU-Kommission. Wie bei der Berliner Rede des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog haben auch die engsten Mitarbeiter von Jean-Claude Juncker im Vorfeld die Erwartungen nach oben geschraubt.

 Markus Grabitz

Markus Grabitz

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Und der Luxemburger hat geliefert. Er hat einen ebenso ehrgeizigen wie visionären Masterplan für die Ertüchtigung der EU vorgelegt. Der besondere Charme dabei: Was Juncker vorschlägt, ist machbar. Es sind dafür keine Änderungen der EU-Verträge notwendig. Seine Vorschläge haben es in sich: Juncker will, dass die EU schneller entscheidet.

Dafür soll auch in der Steuer- und Außenpolitik künftig bei Entscheidungen im Rat, also dem Gremium der Mitgliedsländer, nicht mehr das Prinzip der Einstimmigkeit gelten. Wenn Juncker damit durchkäme, würde die EU zweifellos an Handlungsfähigkeit gewinnen. Fraglich ist aber, ob die EU der 27 für die Ausweitung des Instruments der Mehrheitsentscheidungen reif ist.

Auch die - im Übrigen grundvernünftige - Entscheidung, Griechenland und Italien in der Flüchtlingskrise zu entlasten und Migranten auf die anderen Staaten umzuverteilen, war nach dem Prinzip der qualifizierten Mehrheit getroffen worden - und blieb bislang erfolglos. Dass Juncker dem "Europa der zwei Geschwindigkeiten" eine Absage erteilt, dient dem Zusammenhalt der EU und ist ein Angebot an die Osteuropäer, die ohnehin gerade mit Brüssel Probleme haben. Womöglich gibt es mit dem Austritt der Briten, die ewige Quertreiber waren, ja die Chance auf mehr Einvernehmen. Jetzt gilt es, Junckers ehrgeiziges Reformprogramm auch umzusetzen.

Die Regierungen in den Hauptstädten sind am Zug und müssen den Weg freimachen, damit die EU schlagkräftiger wird. Beobachter der Szene wissen, dass damit das eigentlich heikle Kapitel beginnt: Versprechungen gab es schon viele. Die EU hat aber ein Defizit, wenn es ums Umsetzen geht. nachrichten.red@volksfreund.de

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