Schöne, neue Welt

Eine 24-Stunden-Wurst-Verkaufsstation in Temmels (Kreis Trier-Saarburg) oder ein Geldautomat in Irrel (Kreis Bitburg-Prüm) – man muss nicht lange suchen, um die Auswirkungen der nächsten industriellen Revolution auf unser Leben in der Region zu erkennen.

Forscher sprechen bereits von einem zweiten Maschinenzeitalter, das angebrochen sei.

Fakt ist: Computer und Roboter bieten uns Verbrauchern bisher ungeahnten Service. Geldabheben nach 20 Uhr: Das war noch in den 1960er Jahren undenkbar. Und jetzt gibt es eben auch Tag und Nacht Wurst und Grillbedarf vom Metzger um die Ecke. Eigentlich eine super Sache.

Fakt ist aber auch: Computer und Roboter ersetzen am laufenden Band Jobs. Eine Studie des Pew-Institutes, eines US-Marktforschers, belegt: An Fließbändern und in Fabrikhallen sind Roboter längst Alltag. Jetzt, sagen die Forscher, geht es in die Büros. Fast jeder Job, an dem jemand vor einem Bildschirm sitzt und Informationen verarbeitet, ist bedroht. Nur zur Erinnerung: Etwa 61 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland sind nach aktuellen Erhebungen mit einem Computer ausgestattet.

Nach den Fabrikarbeitern, die in Deutschland zum Teil noch durch Tarifverträge vor Entlassungen geschützt werden, trifft die nächste Stufe der Automatisierung Banker, Verwaltungsangestellte und Ingenieure. Und das in einem globalen Umfeld, in dem schon jetzt über eine Milliarde Menschen als unterbeschäftigt oder erwerbslos gelten. Einer der Aspekte des Begriffs Industrie 4.0 ist ohne Zweifel, dass selbst die billigste menschliche Arbeitskraft irgendwann teurer sein wird als eine Maschine.

Fairerweise muss man einräumen, dass durch die Automatisierung auch neue Jobs entstehen werden, ob sie jedoch ausreichen, um Millionen Menschen in Lohn und Brot zu halten, ist fraglich. Interessanterweise hat bereits der Trierer Vordenker Karl Marx vor fast 150 Jahren den aktuellen Konflikt auf den Punkt gebracht: "Das Kapital produziert selbst einen Widerspruch, weil es versucht die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren, während es andererseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt."

Übertragen auf die bevorstehenden Veränderungen heißt das, durch die Automatisierung kommt unser bisheriges Wirtschaftsmodell an seine Grenzen. Die arbeitgeberfreundliche Bertelsmann Stiftung hat auf dieser Basis sechs Szenarien für die digitale Arbeitswelt in Deutschland entwickelt, nur in zwei dieser Szenarien kommt sie zu einem positiven Saldo. Aber selbst in diesen steht der Sozialstaat vor großen Herausforderungen.

Das zeigt: Wir brauchen in Deutschland eine grundlegende Debatte über die Arbeitswelt der Zukunft. Nur wenn sich die Gesellschaft jetzt einer breiten Diskussion stellt, haben wir eine Chance, in einigen Jahren Antworten auf die gravierendsten Veränderungen zu haben, die auf uns zukommen. t.zeller@volksfreund.de

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