Schröder fehlt

Ruhe wird die SPD durch Münteferings Klartext-Vorstoß nicht bekommen. Spätestens dann, wenn es tatsächlich zu einer rot-roten Koalition im Westen kommen sollte, zum Beispiel im Saarland, werden sich die Genossen wieder zu Recht anhören müssen: Im Bund ist diese Liäson keine Option?

Wer soll euch das glauben? Müntefering hat das große Dilemma, in dem die SPD steckt, mit seinem Segen für Rot-Rot im Westen nicht aufgelöst. Er hat es lediglich noch einmal in Erinnerung gerufen.

Die Partei ist zerrissen. Mal wird über ein rot-rot-grünes Bündnis philosophiert, dann gilt die Ampelkoalition als Favorit, die Neuauflage der Großen Koalition wird ohnehin nicht ausgeschlossen, und Rot-Grün bleibt das Wunschbündnis. Klare Kante sieht anders aus. Es ist der Offenbarungseid einer getriebenen SPD, deren Führung anscheinend nicht weiß, wie sie offensiv den Ball zurück ins gegnerische Feld spielen kann - und zwar zurück zur Lafontaine-Truppe. Sicher, die Linke in Zugzwang zu bringen, ist leichter gesagt als getan. Schon der damalige SPD-Chef Kurt Beck hat versucht, den Linksschatten mit einer Kehrtwende abzuschütteln. Freilich so stümperhaft, dass er am Ende auch deshalb sein Amt verlor. Müntefering weiß, in den Ländern braucht die SPD neue Spielräume, sonst fehlt auf unabsehbare Zeit die Machtoption. Aber auch er geht mit seiner rot-roten Erklärung nur einen Schritt. Und weil er den zweiten scheut, verhilft er seiner Partei eben nicht aus der Klemme. Klug wäre es, endlich einmal Punkt für Punkt inhaltliche Grundsätze zu verfassen, unter denen eine Zusammenarbeit mit der Linken auch im Bund vorstellbar ist. Ein Ja zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr müsste dazu gehören, auch das klare Bekenntnis zur Agenda 2010. Mit einer solchen, genauen politischen Deklaration könnte sich die SPD aus der Umarmung der Linken weithin befreien sowie zugleich ihr Nein zu Bündnissen glaubhafter begründen. Stattdessen spielt auch Müntefering weiter mit dem Risiko. Schlichte Einladungen ohne Bedingungen an die Linke malträtiert die eigene Basis und schmälert die Wahlchancen in den Ländern und im Bund gleich mit. Das große Desaster rund um Hessens SPD-Frontfrau Andrea Ypsilanti hat dies bewiesen. Vielleicht fehlt der SPD dann doch einer wie Gerhard Schröder. Ein Pragmatiker mit Gespür. Schröder beantworte die Koalitionsfrage mit der Linkspartei immer so: nicht ausgrenzen, sondern möglichst weit einbinden. Mag sein, dass Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier im Verlauf des Wahlkampfes noch sein Schröder-Gesicht zeigt. In dieser Frage würde es der SPD helfen.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort