Sehr salomonisch

Beim Thema "Ladenschluss" muss man durchaus auch mal diesen Blickwinkel einnehmen: Eine Gesellschaft, die stets darüber klagt, dass sie rast- und ruhelos ist und dass ihr der Zusammenhalt abhanden kommt, sollte sich zumindest eine kleine Oase erhalten, die dem Profitdenken und der Jagd nach dem schnellen Euro ein bisschen trotzt.



Das ist naiv? Gewiss. Aber dennoch: Man muss nicht religiös sein, auch nicht übermäßig idealistisch, um das Karlsruher Urteil zu den Adventssonntagen gut zu finden. Es reicht der gesunde Menschenverstand, der einem sagt, dass das Verfassungsgericht zur richtigen Zeit zu einem bescheidenen Innehalten aufgefordert hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sicher, Berlin ist ohnehin ein Sonderfall, nirgendwo sonst wuselt das Leben so sehr wie in der Hauptstadt. Dem wird die Stadt bereits mit dem liberalsten Ladenschlussgesetz überhaupt gerecht, das in Wahrheit längst Shopping rund um die Uhr ermöglicht. Die Hauptstadt wird also nach dem Urteil nicht veröden, auch wird der Einzelhandel dort nicht zugrundegehen. Genauso wenig, wie das in den Städten der Fall gewesen ist, deren Bundesländer deutlich weniger Sonntagsöffnungen erlauben. Dass der Einzelhandel unter Umsatzeinbußen stöhnt und immer mehr Läden schließen, hat in der Wirtschaftskrise wahrlich andere Gründe. Karlsruhe hat mehr Rechtssicherheit geschaffen und ein Richtmaß für künftige Regelungen beim Thema "Ladenschluss" vorgegeben. Das Gericht hat dabei den Interessenausgleich zwischen Einzelhandel, Kaufverhalten und dem Schutz der Sonntagsruhe auch nicht aus den Augen verloren. Das war sehr salomonisch.

nachrichten.red@volksfreund.de

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