Sepp und das Kasperletheater

Trier · Die Fifa-Ethikkommission weist alle Korruptionsvorwürfe im Rahmen der WM-Vergaben 2018 und 2022 zurück. Die seltsamen Umstände dieser Entscheidung löschen die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vergaben aber nicht aus, sondern untermauern sie noch.

1. Die Fifa-Ethikkommission setzt sich aus zwei Kammern zusammen, einer ermittelnden und einer rechtssprechenden. Chefermittler Michael Garcia will gegen den nun veröffentlichten Bericht vorgehen - das Papier sei unvollständig und fehlerhaft. Wenn es keine Korruption gab, warum veröffentlicht die Fifa dann nicht alle Ermittlungsergebnisse, sondern veränderte den Bericht laut Garcia vor der Veröffentlichung?
2. Die Bewerbergemeinschaft Spanien/Portugal kommt im Bericht nicht vor. Vermutlich, weil sie bei den Ermittlungen nicht kooperieren wollte. Das stelle man sich mal im richtigen Leben vor: Ich werde wegen einer möglichen Straftat befragt, möchte aber lieber nichts dazu sagen. Danach werde ich zwar nicht explizit freigesprochen - aber eben auch nicht schuldig. Prima!
3. Die Fifa wird kontrolliert von - oh, der Fifa. Zwar ist die Ethikkommission unabhängig in dem Sinne, dass sie nicht vom Exekutivkomitee, sondern vom Kongress gewählt wird (setzt sich aus allen Mitgliedsverbänden zusammen). Der Beigeschmack wäre aber erst dann weniger fade, wenn Experten, die wirklich nichts mit der Fifa zu tun haben, ermitteln und entscheiden.
4. Der deutsche Fifa-Richter Hans-Joachim Eckert hat klargestellt, dass der Ethikkommission bei ihren Nachforschungen nicht die Möglichkeiten staatlicher Ermittlungsbehörden zur Verfügung stehen. Und auch die Konsequenzen bei möglichen Verfehlungen und mangelnder Kooperation sind fragwürdig: Der Ausschluss aus der Fifa für ehemalige Entscheidungsträger ist spätestens seit dem Fall Mohammed bin Hammam erwiesermaßen kein probates Mittel, um einen Beschuldigten zum Reden zu bringen.
5. Ach, und selbstverständlich betonen die Ethikhüter explizit, dass Fifa-Boss Joseph "Sepp" Blatter eine vorbildliche Rolle beim Fifa-Demokratisierungsprozess innehat und frei von jeder Schuld ist. Jene Hüter, die dem Ethikreglement folgen, das vom Fifa-Exekutivkomitee erlassen wird. Jenes Exekutivkomitee, dessen Vorsitzender eben jener Joseph Blatter ist. Ein Schelm, wer sich bei diesem Kasperletheater Böses denkt. r.schaal@volksfreund.de
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