Stimmenfang am rechten Rand

Es ist noch nicht lange her, da zog SPD-Bundestagsfraktions chef Thomas Oppermann mal wieder vom Leder und attackierte CDU-Chefin Angela Merkel, weil sie den Konservativen keine Heimat mehr biete. Eine merkwürdige Kritik.

Denn wenn sich die Konservativen in der Union tatsächlich nicht mehr zu Hause fühlten, müsste dies den Linken doch eigentlich zupasskommen.

Dass dem nicht so ist, hat einen einfachen Grund: Indem die CDU-Parteichefin, wie seit Jahren praktiziert, von rechts immer mehr Richtung politischer Mitte rückt, kommt sie den längst auch nicht mehr so linken Sozialdemokraten bedrohlich nahe und fischt in deren Wählerreservoir. So sind die Genossen in Umfragen auf Bundesebene inzwischen bei um die 20 Prozent gelandet. Angesichts eines solchen Werts kann man von einer Volkspartei kaum noch sprechen.

Und die Union? Liegt in Umfragen noch zwischen dem mageren SPD-Ergebnis und ihren eigenen 41,5 Prozent bei der zurückliegenden Bundestagswahl. Mit anderen Worten: Nicht nur die Roten, auch die Schwarzen verlieren massiv an Zustimmung. Denn seit die Union der SPD immer mehr auf die Pelle rückt, klafft am rechten Rand eine größer werdende Lücke, die inzwischen von den Rechtspopulisten gefüllt wird. Die AfD hat es auch deshalb vergleichsweise leicht, weil sich die CDU nicht mehr um das rechtskonservative Wählerspektrum bemüht. Angela Merkels Kalkül dürfte sein, dass auf der anderen Seite einfach mehr zu holen ist. Nur: Warum gibt die Partei die rechte Seite dafür völlig auf? Eine Volkspartei kennzeichnet, dass sie ein möglichst breites Spektrum der Wählerschaft erreicht. Dazu gehören auch jene, die sich ein gutes Stück von der Mitte entfernt haben.

Damit dieses Klientel zumindest teilweise der CDU gewogen bleibt, ist die Programmatik zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass es an den Rändern der Partei Politiker gibt, die man hört und denen man ihr innerparteiliches Engagement abnimmt. Ex-Parteichef Helmut Kohl hat dies mustergültig verstanden, in dem er stets die rechten und linken Flanken besetzte.

Angela Merkel hält dies augenscheinlich für verzichtbar. Wenn sich die Rechtspopulisten nicht ein zweites Mal selbst zerfleischen, werden sie der CDU-Chefin dankbar sein, der Union am rechten Rand weiter zusetzen und ihr Stimmen abjagen. r.seydewitz@volksfreund.de

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