Strafmündig ab zwölf Jahren

Es gab sie schon immer: Kinder, die schneller um sich schlagen, die jähzorniger sind, die ihre Ellbogen oft und gerne einsetzen. Wer genetisch etwas sensibler programmiert war, bekam halt mal eins auf die Nase. Die Diskussion über Gewalt, die von Kindern und Jugendlichen ausgeübt wird, leidet darunter, dass dieses völlig normale Verhalten in einen Topf geworfen wird mit Horden von 14- oder 15-jährigen Schlägern, die ihre Opfer krankenhausreif treten, ihre Taten auch noch mit dem Handy filmen und dann im Internet verbreiten.

Gewaltphänomene mit einer derartigen Intensität haben mit Schulhof-Keilereien absolut nichts zu tun. "Happy Slapping", so der Szene-Begriff für derartige Handy-Attacken, ist das Symptom einer Verrohung, die tiefgreifende gesellschaftliche Wurzeln hat. Das gilt auch für das sogenannte "Abziehen": Man sucht sich ein Opfer, nimmt ihm alle Wertgegenstände inklusive Jacke und Schuhe ab und schlägt es zusammen. Es gibt Banden, die sich darauf spezialisiert haben, Opfer einzufangen, sie unter Druck zu setzen und sie in einen Elektronik-Fachhandel zu schicken, um dort einen Handy-Vertrag abzuschließen. Das Handy nehmen die Erpresser dem Opfer natürlich sofort weg, lediglich die Gebühren darf es noch bezahlen.Wer sich sagt, ein noch nicht einmal 15 Jahre altes Kind könne niemals derart brutal und abgebrüht handeln, der irrt sich gewaltig. Dennoch können oder wollen viele es nicht glauben. Gewalt wird immer noch tabuisiert - letzte, aber folgenschwere Relikte aus der völlig realitätsfremden Friedenspädagogik der 70er und 80er Jahre. Die Suche nach den Wurzeln dieser Verrohung ist eine Sysiphusaufgabe. Sie umfasst machtlose Eltern, die selbst noch Kinder sind und keine Autorität besitzen. Sie umfasst überforderte Lehrer, die Angst vor ihren Schülern haben. Die Polizei kann nicht nach diesen Wurzeln suchen, sie muss die Auswirkungen bekämpfen. Und der kürzlich gegen einen 14-Jährigen verhängte Haftbefehl zeigt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft es ernst meinen.

Die Frage, ob die Grenze zur Strafmündigkeit nicht auf zwölf Jahre herabgesetzt werden sollte, ist längst überfällig. Es hat keinen Sinn, dieses Problem zu verniedlichen oder zu verharmlosen. Politische Korrektheit darf nicht zulasten der Opfer gehen.

Das "Haus des Jugendrechts" kann zu einem erfolgreichen Instrument werden - wenn man es mit der notwendigen Konsequenz einsetzt.

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