Traurig, aber leider völlig normal

Hustende Schweine, kotverschmierte, lethargische, dahinsiechende Tiere…Die Bilder aus deutschen Ställen, die kürzlich an die Öffentlichkeit kamen, sind erschütternd. Und sie sind beschämend, da sie in Höfen von Bauernfunktionären und Politikern aufgenommen wurden, die sich zum Teil öffentlich für den Tierschutz einsetzten.

Die Videos bilden neben einzelnen Tierschutzvergehen aber einfach das ab, was in Deutschland leider normal ist. Sie zeigen, was Konsumenten beim Biss ins tägliche Schnitzel lieber ausblenden und verdrängen: Es ist nicht schön, wie ein Großteil der Tiere gehalten wird. Konventionelle Tierhaltung hat mit den hübschen Bildern auf Gulaschverpackungen rein gar nichts zu tun.
52 Kilo Schweinefleisch verbraucht jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Doch wie es in einem ganz normalen Stall aussieht, müssen sich die Kunden beim Kauf nicht vor Augen führen: Schweine sind intelligente und - anders als der Volksmund behauptet - auch sehr reinliche Tiere. In der Natur würden sie nicht dort koten, wo sie liegen.
In den meisten Ställen jedoch werden sie auf engstem Raum zusammengepfercht und sind dadurch gezwungen, über ihren Ausscheidungen zu leben. Die Ammoniakdämpfe, die aus den Vollspaltenböden hochsteigen, greifen ihre Lungen an und reizen ihre Augen. Das ist ganz normal.
Ebenso normal ist es, dass die Tiere, deren Lieblingsbeschäftigung es ist, im Boden zu wühlen, ihr natürliches Verhalten aufgeben müssen. Stroh bekommen sie in konventionellen Betrieben nur selten. Noch immer verbringen viele Zuchtsauen ihr Leben bewegungsunfähig in entsetzlich engen Kastenständen. Puten werden unter Schmerzen die Schnäbel gekürzt. Trächtige Kühe werden geschlachtet, die ungeborenen Kälbchen wie Abfall entsorgt. All das ist nicht schön. Aber normal. Wer günstiges Würstchen, Steak und Putenschnitzel isst, sollte sich dies bewusst machen.
Ein Tierwohl-Label könnte die Lage vieler Tiere verbessern. Einer aktuellen Umfrage zufolge ist Tierwohl immerhin die wichtigste Anforderung, die Verbraucher an die Landwirtschaft stellen. In normalen Supermärkten haben Nicht-Vegetarier allerdings aktuell wenig Wahl: Entweder sie kaufen eines der wenigen Bioprodukte oder konventionelles Fleisch. Denkbar, dass so mancher ins Grübeln gerät, wenn deutlich gekennzeichnet wird, wie die Tiere gehalten wurden. Denkbar, dass ein Teil bereit wäre, etwas mehr auszugeben, um Fleisch von glücklicheren Tieren zu essen. Schließlich soll das Label verschiedene Stufen haben. Selbst wem Bio zu teuer ist, könnte so etwas für den Tierschutz tun. Höchste Zeit, dass das Label kommt!
k.demos@volksfreund.de

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