Typisch Merkel

Mit zwei Personalentscheidungen hat Angela Merkel für faustdicke Überraschungen gesorgt. Wolfgang Schäuble zum Finanzminister zu machen, hält der Kanzlerin den Rücken frei. Die nächsten vier Jahre werden finanzpolitisch dramatisch werden.

Kaum ein anderer wird im politischen Betrieb so geachtet, aber auch gefürchtet wie Schäuble.

Die zweite Überraschung ist die Nominierung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger für den Posten des EU-Kommissars. Ein schlauer Schachzug: Oettingers wirtschaftliche Kompetenz für den Job in Brüssel ist unbestritten. Zugleich ist der Regierungschef aus dem Ländle in der Vergangenheit immer wieder durch innerparteiliche Quertreiberei aufgefallen. Auch hat er kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. Der Sorge um die Stabilität der CDU in Stuttgart hat sich die Parteivorsitzende nun elegant entledigt.

Ansonsten muss man bezweifeln, dass die Kanzlerin bei ihren Personalentscheidungen für die Schlüsselstellen klug vorgegangen ist. Geschickt ja, aber nicht klug und schon gar nicht weise. Ist es nicht gerade Merkel, die immer wieder Wachstum als Heilsbringer preist? Und hat das schwarz-gelbe Bündnis nicht soeben die Bildung zu einem der Leitmotive ihres Regierungshandelns erkoren? Nur personell spiegelt sich das nicht wider.

Die Versetzung Karl-Theodor zu Guttenberg vom Wirtschafts- ins Verteidigungsministerium wird ein Schub für das Ressort sein, das unter Franz-Josef Jung so gelitten hat. Und trotzdem: Gerade hatte die Union wieder jemanden gefunden, der Sachverstand ausstrahlte, schon gibt sie die wiedererlangte Kernkompetenz wieder preis. Ein Fehler. Nichts gegen Rainer Brüderle, aber die Berufung des geselligen Liberalen ins Wirtschaftsministerium kommt einem vor wie der Rückfall in die bleierne Zeit des Michael Glos.

Auch dass der glücklose Verteidigungsminister Jung nun Arbeitsminister wird und die genauso schwache Annette Schavan weiterhin das Bildungsministerium verwalten darf, sind keine überzeugenden Aufbruchssignale. Bei Wirtschaft, Arbeit und Bildung klaffen Anspruch der Koalition und Personalauswahl weit, weit auseinander.

Das könnte sich rächen.

Es ist eine Ministerriege des innerparteilichen Ausgleichs ohne viel Mut zum Risiko und zu neuen Ideen. Typisch Merkel? Man könnte auch sagen typisch Kohl, denn dessen letzte Kabinette waren ähnlich mutlos zusammengesetzt. Offenbar hat die Kanzlerin von ihrem Meister das Kapitel Machtabsicherung besonders gut gelernt. Bedauerlich ist das allemal, wenn man doch großspurig betont, das Land erneuern und wieder in Schwung bringen zu wollen.

nachrichten.red@volksfreund.de

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