Völlig losgelöst - bis Herbst

Beschwingt kann Angela Merkel jetzt in den Urlaub fahren. Die CSU ist vorerst gebändigt, die SPD müht sich saft- und kraftlos, die Union dümpelt zwar profilfrei in den Umfragen dahin, aber intern regieren Respekt und Mutlosigkeit gegenüber der Übermutter.

Es gibt keine Umfrage, in der Merkel nicht hervorragend abschneidet. Die Kanzlerin ist oben auf, völlig losgelöst. Doch wie lange noch?

Noch profitiert sie davon, dass sie nicht als CDU-Politikerin wahrgenommen wird, sondern als über allem schwebende Regierungsinstanz, die auf den Bühnen der Welt glänzt. Noch macht man sie für die Entscheidungen, die die Bürger verärgern, nicht verantwortlich. Das lässt sich erklären: Seit Merkel 2005 mit ihrem neoliberalen Kurs Schiffbruch erlitten hat, legt sie sich nicht mehr fest. Geht es ihr um den Klimaschutz oder um die Autoindustrie? Ist sie für den Mindestlohn oder doch dagegen? Will sie die Atomkraft ausbauen oder nicht? Wer weiß das schon. Auch gestern blieb die moderierende Schlichtungsstelle in vielen Haltungsfragen schwammig. Egal, was die SPD so einer an den Kopf wirft, es fällt auf die SPD zurück.

Das mag taktisch klug sein. Die große Unverbindlichkeit trägt aber auf Dauer nicht. Rutscht die CSU in Bayern unter 50 Prozent, wird Merkel als Schuldige auserkoren werden. Steigen die Energiepreise weiter, geht es ab 2009 gar mit der Konjunktur bergab und wird die Einführung des Gesundheitsfonds zum Debakel, Merkel wird sich öffentlicher Schelte nicht mehr wie ein Chamäleon entziehen können. Nominiert die SPD schließlich Außenminister Steinmeier zum Kanzlerkandidaten, einen, der weiß, wie Wahlkämpfe aus der Defensive zu führen sind, wird Merkels jetziger Glanz schnell verblassen. Dann wird sich die Auseinandersetzung nämlich um die Frage drehen: Wer führt das Land besser durch die schwierige See - eine bis dahin positionsfreie, aber international bewunderte Angela Merkel oder ein anerkannter Krisenmanager namens Steinmeier? Die Karten würden neu gemischt.

Von alledem kann sich aber auch nichts einstellen. Sondern: Kurt Beck wird SPD-Kandidat, die CSU holt die absolute Mehrheit, und die Wirtschaft boomt weiter. Selbst dann wäre Merkel nicht durch.

Bislang hat die Union als Partei nicht von der Schwäche der SPD profitiert, noch nicht einmal von der Beliebtheit Merkels. Sie muss nach der Sommerpause damit beginnen, ihrer Partei Profil zu geben, das bisher nicht in Sicht ist. Die Parteifreunde grummeln bereits. Angela Merkel muss deshalb klarer und über Inhalte erkennbarer werden. Ohne ihre Partei wird sie nicht gewinnen. Was ab Herbst auch immer passieren sollte: 2009 wird kein Spaziergang für die Kanzlerin.

nachrichten.red@volksfreund.de

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