Von Exhibitionisten und Spannern

Datenschutz im Internet — das ist ein seit Längerem diskutiertes zweischneidiges Schwert. Denn einerseits geben immer mehr Menschen im öffentlichen Netz ihre Daten bereitwillig preis. Andererseits rechtfertigt dies nicht den Datenhunger insbesondere der "Urheberrechtsindustrie".

Wenn es um den Schutz von Daten im Internet geht, dann wird gerne so argumentiert: Viele Nutzer stellten ohnehin ihr Privatleben viel zu bereitwillig im Netz zur Schau und bräuchten sich daher nicht zu wundern, wenn sie irgendwann einmal die Quittung dafür bekämen. Daher werden dann auch die immer dreisteren Versuche von Staat und Unternehmen, an die Nutzerdaten von Internetsurfern heran zu kommen, als banal abgetan, nach dem Motto: Selbst gibt der Nutzer ohnehin schon viel mehr preis von sich.

Doch zwischen dem Datenhunger von Schlapphüten und Unternehmens-Rechtsabteilungen und dem Mitteilungswillen vieler Internetnutzer gibt es einen großen Unterschied: die Nutzer geben das, was sie über sich ins Internet stellen, freiwillig preis. Im Streit zwischen zwei Unternehmen wie nun Google und Viacom werden die Nutzer jedoch zum Spielball der Interessen. Sie können nicht verhindern, dass beispielsweise ihre Zugriffsdaten an ein anderes Unternehmen übermittelt werden, wenn ein Gericht irgendwo auf der Welt das anordnet.

Die Strategie der Musik- und Filmindustrie, über die Zugriffsdaten an potenzielle Urheberrechtsverletzer heran zu kommen, ist nicht neu und hat zumindest in den USA schon zu skurrilen Prozessen geführt. Hierzulande wurde diesen datenschutzrechtlich unsittlichen Ansinnen ein Riegel vorgeschoben. Zu Recht hat hier nur der Staat im Verdachtsfall Zugriff auf Internet- und Telefondaten — rechtlich gesehen, technisch betrachtet gibt es — das zeigte der jüngste Skandal bei der Telekom — offenbar längst andere Realitäten.

Daher ist es dringend erforderlich, dem Datenschutz einen höheren Stellenwert beizumessen, auch in der Aufmerksamkeit. Denn während auf der einen Seite Rechteinhaber und Staat am liebsten immer tiefer in das Datengeflecht hineingreifen, dass sich dank Internet ansammelt, bleiben die Interessen der Bürger immer mehr auf der Strecke.

Mitteilungsdrang und Datenschutz sind — wie erwähnt — zweierlei paar Schuhe, und dass sich viele Internetnutzer bildlich gesprochen in der Öffentlichkeit bis auf die Unterwäsche ausziehen bedeutet nicht, dass jeder, der glaubt ein Interesse zu haben, auch noch Fotos davon machen darf.

r.gruen@volksfreund.de

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