Warum nicht gleich so?

Am 29. November vergangenen Jahres ist endgültig klar geworden, dass Viktor Janukowitsch das Abkommen mit der Europäischen Union nicht unterschreiben würde. Als Gast beim EU-Ostgipfel in Vilnius bekniete der damalige Präsident der Ukraine die anderen Staats- und Regierungschefs, sie mögen 15 Milliarden Euro für sein Land bereitstellen, um den Wegfall von Vergünstigungen, die Russlands Präsident Wladimir Putin kurz zuvor im Falle einer Unterschrift angedroht hatte.

Merkel & Co. ließen sich nicht erweichen. Am Dienstag nun haben das ukrainische und das Europaparlament quasi synchron das Abkommen ratifiziert - 291 Tage und 3000 Menschenleben später. Historisch ist der Vertrag über eine enge politische Zusammenarbeit und Freihandel schon deshalb, weil sein vorübergehendes Nicht-Zustandekommen eine Revolution in der Ukraine auslöste, die wiederum Janukowitsch hinwegfegte und eine nur schlecht verschleierte Intervention Russlands auf der Krim und später in der Ostukraine zur Folge hatte. Dass nun dieses Abkommen Teil einer möglichen Friedenslösung ist, kann da nicht überraschen. Denn jenseits aller Putin\'schen Großmannssucht, die der wohl entscheidende Treiber dieses Konflikts war und ist, sind eben auch veritable wirtschaftliche Interessen Russlands von dem Abkommen tangiert. Die Sorge, dass zollfreie und damit billigere Waren via Ukraine den russischen Markt überschwemmen könnten, kann ebenso wenig leicht beiseitegewischt werden wie die Moskauer Bedenken, dass russische Exporteure ins Hintertreffen geraten könnten, wenn die Ukraine vertragsgemäß EU-Normen zur Anwendung brächte. Ohne Klärung des politischen Status\' der Ukraine wird es dort keinen Frieden geben, ohne Beantwortung der offenen ökonomischen Fragen allerdings genausowenig.Der in letzter Minute zustande gekommene Kompromiss, den wirtschaftspolitischen Teil des Pakts erst ein Jahr später anzuwenden und der wirtschaftlich darbenden Ukraine vonseiten der EU gleichzeitig Handelserleichterungen zu gewähren, ist da ein kluger Schachzug. Warum nicht gleich so?Die EU hat viel zu lange darauf beharrt, dass ein bilaterales Abkommen zwischen ihr und der Ukraine keiner Zustimmung einer dritten Partei bedarf. Formal ist das natürlich richtig, realpolitisch dafür großer Quatsch. Denn den Akteuren war zu jedem Zeitpunkt klar, dass es sich hier nicht um irgendein Abkommen handelt, sondern um eine versuchte Herauslösung der Ukraine aus der russischen Einflusssphäre. Hier nicht den Dialog zu suchen, war fahrlässig und - wie wir heute wissen - tödlich. Der größte politische Fehler freilich bestand darin, nicht zu wissen, wie weit Putin gehen würde, um seinen Machtbereich zu verteidigen. Doch auch dies muss klar gesagt werden: Die EU hat im Zusammenhang mit dem Abkommen anfangs diplomatisch dilettantisch agiert. Leider gibt es keine Garantie dafür, dass das Entgegenkommen beim Ukraine-Abkommen dies grundsätzlich ändert. nachrichten.red@volksfreund.de

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