Wieder einmal zurück auf Null

Wie viele schwere Erdbeben verträgt die SPD, ehe sie als Volkspartei völlig zerstört ist? Sie ist nahe dran. Keine Partei hat in so schneller Folge so gravierende Einschnitte erlebt.

Ihre Führung überdehnt die Leidensfähigkeit der Mitglieder und die Geduld der Wähler seit langem auf das Unerträglichste.

Man tritt Angela Merkel nicht zu nahe, wenn man sagt, dass ihr Glanz sich zu einem guten Teil aus dem Elend der Konkurrenz nährt. Die gestrigen Ereignisse vom Schwielowsee können diese Phase beenden. Aber ausgemacht ist das nicht. Kurt Beck hat einen Scherbenhaufen hinterlassen. Seine Bilanz: Das Widererstarken der Flügel und innerparteiliche Zerstrittenheit. Die gedankliche Abkehr von einer Reformpolitik für die Mitte der Gesellschaft. Taktische Unsicherheit gegenüber der Linkspartei. Mitgliederschwund. Und der Wortbruch in Hessen. Kurt Beck hat es gut gemeint. Er dachte, man könne die SPD mit einer offenen Diskussionskultur leiten, man müsse nicht führen. Das war ein Irrtum.

Mit Frank-Walter Steinmeier, der für die Reformpolitik Gerhard Schröders steht, und Franz Müntefering geht die Partei zurück auf Null. Die Jahre der großen Koalition kann sie komplett als verlorene Jahre abbuchen. Aber folgenlos bleiben sie nicht. Die schwersten Verwüstungen wurden im Selbstbewusstsein der SPD angerichtet, die auf breiter Front nicht mehr weiß, was an ihrer Politik gut war und ist. Die keinen Stolz mehr hat und nur noch überleben will. Das gestrige Erdbeben wird nachhallen. So schnell werden die Geister, die Beck gewähren ließ, nicht verschwinden. Mit Steinmeier als Kanzlerkandidat sind neue Unwägbarkeiten eingebaut. Ebenso ist nicht klar, ob Müntefering seine alte Autorität wieder gewinnen wird. Und doch war der gestrige Führungswechsel die einzige Chance nach langer Agonie. Ganz so ruhig schlafen wie bisher kann Angela Merkel nicht mehr.

nachrichten.red@volksfreund.de

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