Wir müssen lernen, mit der Bedrohung zu leben

Trier · Die Terror-Angst bestimmt unseren Alltag.

 Bernd Wientjes

Bernd Wientjes

Foto: Klaus Kimmling

Die Angst vor Terror beherrscht unseren Alltag. Ob wir es wollen oder nicht. Ein herrenloser Rucksack im Bahnhof löst einen Großeinsatz der Polizei aus. Das von Passagieren aufgeschnappte Wort Bombe in einem Flugzeug führt zu einer ungeplanten Zwischenlandung und zur vorrübergehenden Festnahme angeblicher Terrorverdächtiger. Feste, wie jetzt am Wochenende beim Trierer Altstadtfest, finden nur noch unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt, Zufahrten werden mit LKW gesperrt, um Anschläge wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt zu verhindern. Schwerbewaffnete Polizisten in den Großstädten gehören mittlerweile zum gewohnten Bild.

Fast kaum ein Tag, an dem es nicht einen (versuchten) Anschlag gibt - ob von fanatischen Islamisten oder (wie jetzt in London) von einem aufgestachelten Rächer. Einerseits befällt einen jedes Mal ein ungutes Gefühl: Kann man wirklich noch unbesorgt in europäische Hauptstädte reisen? Die Antwort muss lauten: Ja, man kann und man soll. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst unser Lebensgefühl bestimmt. Zumal das Risiko, in Europa Opfer einer Terror-Attacke zu werden, vergleichsweise gering ist.

Noch immer sterben in Deutschland mehr Menschen im Straßenverkehr als durch feige, hinterhältige Anschläge. Trotz der zeitlich immer geringer werdenden Abstände gehören Anschläge in unserer Welt nicht zum Alltag. Anders als in muslimisch geprägten Ländern, wo es immer noch die meisten Terroranschläge gibt. Wahllos werden dort Menschen, ob Christen oder Muslime, zu Opfern des selbst ernannten Islamischen Staats. Was auch zeigt, dass die angeblichen Gotteskämpfer unabhängig von Religion und Glauben töten.

Gleichzeitig stumpfen die ständigen Nachrichten über Anschläge ab. Man nimmt sie zur Kenntnis und geht dann schnell wieder zur Tagesordnung über.

Das liegt womöglich auch daran, dass die Reaktionen nach den Attentaten mittlerweile so vorhersehbar und austauschbar sind und von einer traurigen Routine beherrscht werden. Ob von Politikern, die immer die gleichen, oft inhaltslosen Floskeln verwenden und unmittelbar nach der Tat noch schärfere Gesetze ankündigen. Ob von den Medien, wenn etwa in Nachrichtensendern stundenlang live berichtet wird, ohne dass es wirklich nennenswert Neues zu vermelden gibt. Oder von den selbst ernannten Experten und Besserwissern im Internet, die sich, wie am Dienstagabend nach einem vermutlich vereitelten Terroranschlag in Brüssel, unmittelbar nach der Eilmeldung im Internet zu Wort melden. Rechtspopulisten und Verteidiger des christlichen Abendlandes, die gebetsmühlenartig alle Muslime und Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen, gerade so als würden sie nur drauf warten, dass ein Anschlag geschieht, der ihre verquere Weltsicht bestätigt. Gleichzeitig werden die rechten Hetzer von linken Schreihälsen, die oft ideologisch nicht weniger verblendet argumentieren, verbal niedergebrüllt.

All das ist Ausdruck einer Hilflosigkeit, mit der die Politik und die Gesellschaft der Bedrohung und der Terrorangst begegnen. Terror hat es schon immer in Europa gegeben. In den 1970er Jahren war es der Linksterrorismus der RAF in Deutschland. Oder den jahrelangen Freiheitskampf der terroristischen ETA im spanischen Baskenland ebenso wie den blutigen Kampf der IRA in Irland mit Tausenden Toten. Wir müssen genauso wie damals lernen, mit der Bedrohung ruhig, gelassen und professionell umzugehen und unser Leben möglichst uneingeschränkt zu leben, ohne dass die Angst siegt. Ansonsten haben die Terroristen, Fanatiker und Hetzer gewonnen. b.wientjes@volksfreund.de

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