Wo ist die Reset-Taste?

Angela Merkels zweite Amtszeit ist erst vier Wochen alt und schon so verkorkst, dass man die Reset-Taste drücken möchte. Aber wo? Die Koalitionsverhandlungen quälend. Ein schwarz-gelbes Programm ohne Idee.

Streit um fast alle entscheidenden Fragen. Und nun der erste Minister-Rücktritt im Skandal.

Der Abgang Franz Josef Jungs war unausweichlich. Der ehemalige Verteidigungsminister hat begründete Zweifel daran aufkommen lassen, dass er in einer zentralen Frage die richtigen Maßstäbe hat. Nämlich alles zu tun, damit bei dem Kriegseinsatz in Afghanistan unschuldige Opfer vermieden werden. Und wenn das doch passiert, alles zu tun, um die Öffentlichkeit darüber aufzuklären und eine Wiederholung zu verhindern. Jung aber hat gemeint, er müsse die Truppe ebenso wie die deutsche Öffentlichkeit vor der Wahrheit schützen. Noch gestern gab es von ihm keine Einsicht.

Die Altlast Franz Josef Jung ist in Wahrheit eine Neulast der Kanzlerin. Sie hat den Hessen zum Arbeitsminister befördert, obwohl er schon im vorherigen Amt als Verteidigungsminister eine schwache Figur machte. Sie war gewarnt, aber sie wollte Frieden haben mit dem hessischen Landesverband, mit Roland Koch. Dafür hat sie ein Ministeramt geopfert, die Chance, an zentraler Stelle etwas politisch zu gestalten. Es ist Merkel zu gönnen, dass diese Feigheit vor dem Freund sich jetzt gerächt hat. Bei der schnellen Nachbesetzung der vakanten Stelle hat die Kanzlerin ein glücklicheres Händchen bewiesen, denn Ursula von der Leyen erfüllt die Voraussetzungen, die eine Ministerin in diesem hochsensiblen Feld mitbringen sollte. Im Familienministerium aber war schon wieder das Hessen-Kriterium der einzige Auswahlgrund für Kristina Köhler.

Mut, das war seit dem Start der schwarz-gelben Koalition das Ding der Kanzlerin nicht. Sondern nur Machtabsicherung. Der Vorwurf Thilo Sarrazins, über den man ansonsten sagen mag, was man will, ist ja nicht falsch. Die zweite Amtszeit Angela Merkels ähnelt fatal der letzten Helmut Kohls. Aussitzen, aussitzen, aussitzen. Die Wahrheit über das notwendige Sparprogramm und die notwendigen Sozialkürzungen wird verschoben aus Rücksicht auf die Landtagswahl an Rhein und Ruhr im nächsten Mai. Die Reform der Sozialsysteme ebenfalls. Damit auch die gesellschaftliche Diskussion darüber, wer eigentlich für die Folgen der Krise zahlt: die da oben, die da unten, oder alle? Stattdessen werden noch immer Steuersenkungen versprochen, deren Finanzierung niemand kennt. Stattdessen werden schnell noch Klientelinteressen der Hoteliers erfüllt und abgestandene Ideen wie das Betreuungsgeld umgesetzt. Es gibt kein zusammenhängendes Zukunftsprogramm, kein schwarz-gelbes Projekt.

Alle werden bedient von dieser Koalition, aber immer mehr sind bedient. Die Länder zuerst, die sich nun fast kollektiv gegen den Ausgabewahn zu wehren beginnen, der ihnen die Kassen leert. Mit seinem freiwilligen Abgang ersparte Franz Josef Jung Merkel gestern eine eigene Entscheidung. Wieder, so scheint es, hat sich für die Kanzlerin das Aussitzen gelohnt. Aber das Ende dieser Methode naht.

nachrichten.red@volksfreund.de

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