Zentrum der offenen Wunden

Seit jene, die das Thema allzusehr für sich und ihre jeweiligen Ziele instrumentalisieren wollten, zurückgedrängt sind, kommt das Zentrum gegen Vertreibungen voran. Auf der deutschen Seite waren das Erika Steinbach und ihr Bund der Vertriebenen, auf polnischer Seite die Nationalkonservativen um den inzwischen abgewählten Premier Jaroslaw Kaczynski.

Offenbar ist der Schritt vom Verstehen über das Verzeihen zum Versöhnen noch zu groß, als dass die unmittelbar Betroffenen beider Seiten sich gemeinsam über eine geeignete Form des Erinnerns einigen könnten. Offenbar ist noch viel Arbeit der Bewältigung zu tun.

Nun sind diplomatische Lösungen gefunden worden, die alle dem Ziel dienen, die Empfindlichkeiten und Reflexe zu minimieren. Das Zentrum gegen Vertreibungen heißt etwas verquer "Sichtbares Zeichen gegen Flucht und Vertreibung" und ist eine Dauerausstellung am Rande der Berliner City. Polen erklärt sich weder einverstanden noch dagegen, sondern duldet es nur passiv, und die Vertriebenen werden bei der Gestaltung so weit als möglich herausgehalten.

Sie, die eigentlich ein einfaches Mahnmal für das an ihnen massenhaft und brutal begangene Unrecht wollten, werden das alles zu vage, zu verschwiemelt finden. Zumal der Anstoß aus ihren Reihen kam. Doch sind die Vertriebenen, ebenso wie die Nationalkonservativen in Polen, Teil jener anhaltenden Unvernunft, die komplizierte Kompromisse erzwingt. Auch wenn die Zeiten des "Dreigeteilt - niemals" vorbei sind - noch immer gibt es Forderungen nach Rückgabe und Entschädigung, und noch immer trifft man auf jene einseitige Sicht der Geschichte, in der die deutschen Vertriebenen nur Opfer sind und nicht auch Angehörige des Tätervolkes, das die unselige Kette in Gang gebracht und seinerseits Millionen Polen getötet oder vertrieben hat. Deshalb können die deutschen Vertriebenen-Verbände nicht Träger eines Denkmals sein, das zur Aussöhnung beiträgt. Und nur das kann der Sinn sein. Dem Berliner Projekt ist zu wünschen, dass es viele Menschen, vor allem viele Jugendliche, anzieht und zur Auseinandersetzung anregt. Über ethnischen und religiösen Hass, nationalen Wahn und Rassismus im Allgemeinen und in seiner singulären deutschen Ausprägung. Vielleicht sollte die Ausstellung aber auch den Streit um sich selbst dokumentieren, denn der ist auch ein Lehrstück dafür, was die Hitlerei angerichtet hat, mit den unmittelbar betroffenen Menschen und noch mit vielen Generationen danach.

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