Zielperson Nummer Neun

Wenn es noch eines schlagenden Beweises bedurfte, dass der US-Geheimdienst NSA die Bundeskanzlerin in großem Stil ausspionierte, dann ist er jetzt mit der Veröffentlichung eines für die Amerikaner besonders peinlichen Dokuments erbracht worden. In einer offenbar sehr langen Liste von Staatschefs, die die Geheimen als Zielpersonen erfassten, findet sich Angela Merkel an neunter Stelle wieder - unmittelbar vor dem syrischen Diktator Bashar al-Assad.

Immerhin mehr als 300 Berichte haben die US-Schnüffler demnach über Merkel zusammengetragen.
Keinen Frage, die neuerlichen Enthüllungen kommen politisch zur Unzeit. Schließlich sind Deutschland und die USA gerade dabei, sich wieder anzunähern, um in der Krim-Krise eine gemeinsame Sprache gegen Wladimir Putin zu sprechen. Das kann allerdings nicht bedeuten, die neuerlichen Erkenntnisse nun womöglich unter den Teppich zu kehren. Zumal nicht nur die Kanzlerin zum Opfer einer wahren Überwachungsorgie wurde, sondern auch zahllose andere Bundesbürger, die nicht unter den Promi-Status fallen. Das ist und bleibt der eigentliche Skandal in dieser ganzen Affäre.
Bislang tut sich der Generalbundesanwalt schwer, ein Ermittlungsverfahren gegen die NSA-Schnüffelpraxis einzuleiten. Der Druck für eine solche Entscheidung ist seit dem Wochenende nicht kleiner geworden. Auch die Notwendigkeit des kürzlich eingesetzten NSA-Untersuchungsausschusses wird durch die jetzt bekannt gewordenen Details noch einmal nachhaltig unterstrichen. Bleibt zu hoffen, dass die Aufklärungsarbeit am Ende auch zu praktischen Konsequenzen führt - bei der Spionageabwehr ist in Deutschland gelinde gesagt noch viel Luft nach oben.

nachrichten.red@volksfreund.de

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