Nichts auf der Pfanne

Richtige und falsche Antworten auf die AfD.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: Mathias Krohn

Wären Flüchtlinge und ihr Verhalten ein großes Problem - dann hätten viele junge Frauen in Köln Grund gehabt, AfD zu wählen. Das haben sie aber nicht getan. Es haben stattdessen sehr viele junge und alte Männer in Ostdeutschland die AfD gewählt. Dort, wo es kaum Migranten und Flüchtlinge gibt. Und: Wenn die Obergrenze eine Lösung wäre - dann hätte die CSU zulegen müssen. Hat sie aber nicht. Sie hat noch mehr verloren als die CDU.

Es werden derzeit viele falsche Schlüsse aus dem Erfolg der Rechtspopulisten gezogen. Weil die Wahlmotive oberflächlich analysiert werden. Die Flüchtlinge sind nur vordergründig der Grund, nicht viel mehr als ein Anlass, um den eigenen Frust abzulassen. So wie seit jeher in allen Gesellschaften Minderheiten für die Rolle des Sündenbocks gesucht und gefunden werden. Natürlich müssen Gesetze konsequent umgesetzt werden, natürlich gibt es Grenzen der Aufnahmefähigkeit. Aber diesen Weg geht die Politik längst. Wer nun noch schärfer gegen Flüchtlinge oder bei der inneren Sicherheit vorgehen will, wird die AfD nur stärker machen, denn bei diesem Thema ist sie das Original. An dieser Stelle irrt Horst Seehofer.

Das tiefer liegende Motiv, die AfD zu wählen, liegt in der Enttäuschung über eine Politik, die die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm verschärft und die Durchlässigkeit von unten nach oben behindert. Es liegt an der Vernachlässigung ganzer Schichten. Wohlstand und Wachstum kommen längst nicht überall an. Einmal unten, immer unten. So fühlen sich viele. Das ist der Resonanzboden für rechte Propaganda, die in Hass gegen Fremde und blinden Protest gegen "die da oben" mündet.

Die Linkspartei formuliert das schon lange, doch auch sie hat vor diesem Wahlkampf nicht einmal ansatzweise versucht, zusammen mit SPD und Grünen eine gemeinsame regierungsfähige Alternative zu formulieren, um die Probleme real anzugehen. Im Gegenteil. Sie selbst schürt den Protest der Zukurzgekommenen. Vor allem im Osten. Und setzt auf Protestwahl. Die Linke sollte nach diesem Desaster, das auch ihr Desaster ist, die bevorstehende gemeinsame Oppositionszeit mit der SPD nutzen, um ihren Fundamentalkurs zu korrigieren. Die SPD hat sich schon etwas bewegt.

Die richtige Antwort der neuen Regierung und des neuen Bundestags auf das Phänomen AfD ist nicht eine noch härtere Flüchtlingspolitik oder die Abkehr von Europa. Die Antwort muss sozialpolitisch sein. Minirenten, schlechte Löhne, unsichere Arbeitsverträge, wuchernde Mieten, die Armut der Alleinerziehenden, sterbende Klein-städte und Dörfer, das sind die Probleme, die eine mögliche Jamaika-Koalition angehen muss. Und bei denen die demokratische Opposition die Regierung hart fordern sollte. Dann wird man sehen: Die AfD hat bei diesen konkreten Lebensthemen nichts auf der Pfanne. Nullkommanichts.

nachrichten.red@volksfreund.de

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