Alle an einem Strang

Politik

Zu unserem Artikel "Der Verfall des Westens" (TV vom 7. Juni):
Die Bilder sind uns noch frisch im Gedächtnis: Präsident Trump liest in Brüssel den konsternierten und hilflosen europäischen Regierungschefs die Leviten, weil sie ihren Verpflichtungen aus den Nato-Vereinbarungen nicht nachkommen und zu wenig für die gemeinsame Verteidigung ausgeben. Da Amerika sein Soll bei weitem übererfüllt, schulden die faulen Europäer ihm sogar Geld. Er erwähnt, wie dies die amerikanischen Präsidenten immer zu tun pflegten, die gegenseitige Beistandspflicht im Ernstfall nicht mehr, und Frau Merkel sagt, "die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei".
Wir freuen uns jeden Tag, dass wir in Europa seit 70 Jahren in Frieden leben, wo viele andere Weltteile in Aufruhr sind, und vergessen, dass 1949 die Amerikaner einsahen, dass ihre Interessen mit denen der westeuropäischen Staaten identisch waren, die die drohende sowjetische Macht unter Stalin vor ihrer Haustüre sahen. Diesmal haben die Amerikaner sich am Ende eines Krieges in Europa nicht zurückgezogen wie 1920. Damals wurde deshalb der Völkerbund zu einem zahnlosen Tiger. Wenn auch Amerika große Fehler und Fehleinschätzungen in anderen Weltteilen begangen hat, stand es seit 70 Jahren mit Europa zusammen für gemeinsame Werte und Interessen.
Vielleicht könnte Trump aber unfreiwillig recht behalten und rückblickend unsere aller Anerkennung für seine Worte bekommen. Wenn der Beistand der Vereinigten Staaten nicht sicher ist, dann werden wir Europäer doch mehr in unsere eigene Verteidigung investieren müssen in einer unsicheren Welt.
Die Europäische Kommission sieht jetzt die EU als zukünftige militärische Macht, eine Verteidigungsunion mit einem Verteidigungsfonds. Hier müsste die Bundesrepublik buchstäblich Flagge zeigen als führendes europäisches Land. Hier wäre ein erster Schritt zu einem europäischen Staat.
1992 dachte man, eine gemeinsame Währung auch ohne einen europäischen Staat würde sicher Europa einen. Weit davon, sie ist zum Spaltpilz geworden. Die Euro-Krise schwelt weiter unter der Oberfläche und trennt den erfolgreichen Norden vom Süden, der immer noch am Tropf der EZB hängt und sowohl die goldenen Jahre 2002 bis 2007 als auch die noch andauernde Niedrigzins-Politk nicht genutzt hat, um Reformen in Gang zu setzen. Die Länder sind weitgehend so geblieben wie in den guten Zeiten, als sie ihre eigene Währung noch abwerten konnten, um eine Wirtschaftskrise zu überwinden. Ein Euro-Finanzminister mit Euro-Parlament, von denen jetzt die Rede ist, werden Länder, die munter Verträge unterschreiben und dann brechen, nicht mit Geldtransfers zu mehr Solidarität mit ihren Partnern überzeugen. In einer Verteidigungsunion würden alle an einem Strang ziehen müssen, und das wäre ein sichtbares Stück Europa.
Peter Oldfield
Mertesdorf

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