Balken im Auge

Zum Kommentar "Ein Wort zu viel" (TV vom 17. September):

Das Einzige, was man Kardinal Meisner wirklich vorwerfen kann, ist die unbedachte Verwendung eines Wortes, das durch seinen historischen Missbrauch vorbelastet ist. Daran Kritik zu üben, steht jedem frei und wäre eigentlich ein ganz normaler Vorgang. Dass Peter Reinhart und mit ihm leider viele seiner journalistischen Kollegen dies zu einer Art Generalabrechnung mit einem seit langem unliebsamen Zeitgenossen benutzen, ist schlimm, weil es jeder sachlichen Grundlage entbehrt. Alles, was Reinhart über die unglückliche Wortwahl hinaus Meisner in die Schuhe zu schieben versucht, beruht auf Verkürzungen, Verdrehungen und Unterstellungen. So hat der Kölner Kardinal abtreibende Frauen niemals in die Gesellschaft von Hitler, Stalin oder Herodes gestellt, wohl aber die massenhafte Tötung ungeborener Menschen in eine Reihe mit den Verbrechen der Nazis.* Sein angeblicher Vergleich von Abtreibungspille RU486 und Gas Zyklon B war der vollkommen berechtigte Hinweis auf die unbestrittene Tatsache, dass die Hoechst AG nur wenige Jahrzehnte nach Auschwitz erneut für die Entwicklung und Produktion einer Chemikalie verantwortlich war, die keinem anderen Zweck diente als der systematischen Vernichtung menschlichen Lebens. Aber solche Feinheiten zu erkennen, fällt vermutlich schwer, wenn man gleichzeitig ein ganzes Register verbaler Keulen zieht: blanker Nazi-Jargon, Advocatus Diaboli, Provokateur, Beleidiger, Hetzer. Während der Autor mehrfach die Sprache des Kardinals beklagt, scheinen ihm selbst die primitivsten Schlagworte noch gut genug, seinen Kontrahenten zu verurteilen. Dass er Meisner dann auch noch süffisant eine biblische Mahnung gegen das Verwenden "böser Worte" ins Stammbuch schreibt, zeigt, mit welcher Selbstgerechtigkeit Reinhart den "Balken im eigenen Auge" übersieht. Der Vorwurf der Hetze fällt postwendend auf ihn zurück. Mehr als bedauerlich, dass der TV einem solchen Kulturkampf-Journalismus ein Forum bietet!Michael Frisch, Trier*Anm.d.Red.: Das Original-Zitat von Kardinal Meisner: "Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht. Abtreibung und Euthanasie heißen die Folgen dieses anmaßenden Aufbegehrens gegenüber Gott." (Predigt in Köln, 6. Januar 2005)kARDINAL MEISNER

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