Besorgter Gruß

Politik

Zum Beitrag "Die Linken und der Mindestlohn von zwölf Euro" (TV vom 10. August):
Der Artikel ist ungeheuerlich und lässt wieder einmal das konservative und CDU-nahe Gedankengut der Volksfreund-Redakteure erkennen (wie zum Beispiel auch in einem Artikel vor einigen Wochen, in dem sie die MLPD und die V3-Partei als politische Exoten titulierten, was von einer unabhängigen Berichterstattung weit entfernt ist!).
Schon in der Einleitung wird der Mindestlohn als "ungewöhnliche Forderung" bezeichnet - warum ist ein programmatischer Wunsch nach einem Gehalt, das den Lebensstandard jetzt und in Zukunft deckt, ungewöhnlich? Ist er ungewöhnlich, weil konservative Parteien ihn nicht in ihrem Programm wiedergeben? In der sehr einseitigen Diskussion des Mindestlohns von zwölf Euro ist auch die Schlussfolgerung völlig falsch, dass höhere Mindestlöhne zu Arbeitsplatzabbau führten. Die raffgierige Industrie und Wirtschaft wird hier lediglich in die Zange genommen - und das ist auch gut so, denn sie verursacht, dass Menschen in einem reichen Land wie diesem unter das Existenzminimum gedrückt werden. Das Natürlichste der Welt ist es, gegen diese Auswüchse des Kapitalismus vorzugehen - frei nach dem Motto: Die Wirtschaft braucht den Menschen, um zu bestehen; der Mensch braucht nicht die Wirtschaft! Dass zum krönenden Abschluss auch noch ein arbeitgeberfreundlicher Propagandist des gefährlichen Globalkapitalismus zum Zitat gebeten wird, grenzt an Hohn! Wenn Mindestlöhne aufgestockt werden, bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass Besserverdienende ihr Gehalt auch aufgestockt bekommen müssen. Es besteht kein logischer Zusammenhang zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Der verbeamteten Lehrerin ist es egal, wenn die Putzkraft ihrer Schule statt 8,84 Euro zwölf Euro in der Stunde verdient. Es lohnt sich also nicht, weiter auf das Gespräch von Herrn Schäfer einzugehen. Immerhin wird dessen ökonomisch-politischer Hintergrund genannt - aber "arbeitgeberfreundlich" ist nur ein Euphemismus für "arbeitnehmerfeindlich"! Sie sollten Ihre Zeitung, gerade in Zeiten des erstarkenden Konservatismus, nicht in diese populistische Spalte der Ewiggestrigen lenken. Bleiben sie sich treu als "unabhängig und überparteilich". Meinen Leserbrief veröffentlichen Sie mit Sicherheit nicht, ich befürchte, er ist Ihnen zu kritisch; dennoch verbleibe ich mit besorgtem Gruß um Ihren unabhängigen Verstand!
Paul Hallmanns
Wiltingen

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