Das Saddam-Video

TRIER. (-art) Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen – die Chefredaktion antwortet.

Nur wenige Stunden, nachdem das Todesurteil gegen den früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein vollstreckt worden war, kursierte im Internet ein Video von der Hinrichtung. Der TV hat in seinem Online-Angebot volksfreund.de keinen Link zu dem Film gelegt und im Blatt keine Fotos der Exekution abgedruckt. Warum nicht? Liebe Leserin, lieber Leser, es ist erschreckend einfach, das Todes-Video auf Seiten wie "YouTube" oder "GoogleVideo" zu finden. Millionenfach angeklickt, ist es inzwischen auf unzähligen Websites verbreitet. Im Gegensatz zu den offiziell freigegebenen Bildern der letzten Minuten Saddams ist in einer verwackelten, rund zweieinhalb Minuten langen Sequenz zu sehen und zu hören, wie der Ex-Diktator unmittelbar vor seiner Hinrichtung verhöhnt und beschimpft wird ("Fahr zur Hölle!"), mutmaßlich von Wachleuten oder Zeugen. Auch die Exekution am Galgen ist nahezu vollständig dokumentiert. Ein irakischer Regierungsbeamter soll den Film mit seiner Handykamera aufgenommen haben. Einmal mehr stellt sich die Frage: Was darf das Internet? Nichts, was gesetzeswidrig ist - also Pornographie, Gewaltverherrlichung, jugendgefährdende oder sonstige verbotene Inhalte verbreiten. Das Saddam-Video mag nach dieser Definition nicht kriminell sein, aber es ist zynisch, menschenverachtend, barbarisch. Und: Die Veröffentlichung der wohl heimlich aufgenommenen Bilder verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht. So heißt es etwa in den Genfer Konventionen aus dem Jahr 1949: "Die Kriegsgefangenen müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt (...) und geschützt werden, insbesondere auch vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigungen und der öffentlichen Neugier. Vergeltungsmaßnahmen (...) sind verboten." Weiterhin ist festgeschrieben: "Die Kriegsgefangenen haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre." Saddam Hussein war ein Massenmörder. Viele empfinden seinen Tod als "gerecht". Man kann darüber streiten, ob für ihn bis zum Schluss der Kriegsgefangenen-Status galt. Die Begleitumstände der Exekution jedenfalls erinnern mehr an Lynchjustiz als an eine reguläre Vollstreckung des Urteils - ganz abgesehen von der grundsätzlichen Erkenntnis, dass es höchste Zeit ist, die Todesstrafe weltweit abzuschaffen. Das makabre Saddam-Video befriedigt Voyeursgelüste und Sensationsgier; es ist abstoßend. Darüber berichtet der TV; den Film aber zeigen wir nicht. Ich wünsche Ihnen ein besinnliches Wochenende Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur Fragen zur Zeitung? Lob, Kritik, Anregungen? Schreiben Sie uns. E-Mail: forum@volksfreund.de Fax: 0651-7199-409 Brief oder Postkarte: Trierischer Volksfreund, Forum Hanns-Martin-Schleyer-Str. 8 54294 Trier

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