Den Mund halten oder Tapeten malen

Zum Artikel "Der Biss der kleinen Schwester" (TV vom 16./17. Juni):

Vielleicht sollte die Ausstellung besser "Kunst IST Provokation" lauten, dann käme es nicht zu Missverständnissen. Die Art, wie zeitgenössische Kunst zu sehen und zu bewerten ist, hängt davon ab, was man persönlich unter Kunst versteht. Für mich ist beispielsweise jeder ernst zu nehmende Künstler ein "Berufsprovokateur". Wer nichts zu sagen hat, der soll den Mund halten oder Tapeten malen. Anke Emmerling kennt anscheinend nur das Tapetenmuseum. Dass Künstler sich kenntnisreich und pointiert zu einem aktuellen Thema äußern, stößt bei ihr auf Unverständnis und Widerstand.Ein paar Hinweise zum besseren Verständnis: Es gibt keine gute Ausstellung, die nicht "inszeniert" wäre. So sind auch in unserer Ausstellung die Artefakte mit zum Teil theatralischen Mitteln geplant und in Szene gesetzt worden. Der abgedunkelte Raum mit seinen farbigen Lichtinseln lehnt sich an sakrale Räume an, wie sie zum Beispiel die katholische Kirche meisterhaft zu inszenieren versteht. Rauminstallationen werden als Ensembles entworfen. Die bonbonfarben bemalte Fassade des Konstantinbogens ergibt nur einen Sinn in Zusammenhang mit den nach Moder duftenden Friedhofskränzen, den eingebauten Totenschädeln und den dahinter aufgestellten expressiven Kriegsbildern. Das Drei-Hasen-Relief ist auf das intensiv leuchtende Blau und das aufsteigende "Pneuma" hin konzipiert worden. Dass sich der "Geist" als simple Vernebelung entpuppt, mag zwar religiösen Widerspruch auslösen, ist aber genau so gewollt. Der Vorwurf des "Plakativen" wird regelmäßig von Künstlern erhoben, deren Bildwerke so nichts sagend, nebulös und ungeheuer "subtil" sind, dass ihre Interpreten endlos darüber schwafeln können.Ganz ehrlich: Was gibt es Platteres, als einen Großkopf in Marmor zu kopieren oder Füße in Beton abzugießen? Dagegen ist das "Labarum" (die Feldstandarte Konstantins) mit der blutigen Metzgerschürze eine genial auf den Punkt gebrachte Interpretation von "Kreuz und Schwert".Zum Schluss: Feige und unanständig ist es, sein eigenes Unverständnis auf den 13-jährigen Sohn unseres Oberbürgermeisters zu projizieren.Ich schäme mich für den Volksfreund.Helmut Schwickerath, Trier KULTUR

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort